Noch haben die deutschen Banken die Coronakrise erstaunlich gut überstanden. Doch die wirtschaftlichen Folgen werden mit Verzögerungen eintreten, dafür aber umso länger. Vor allem regional aktive Institute müssen sich nach Meinung von Experten auf herausfordernde Zeiten gefasst machen. „2021 könnte sich als der härteste Test für Banken seit der globalen Finanzkrise herausstellen“, sagt Analyst Gavin Gunning von der Ratingagentur S&P Global. [1]
Sparkassen bisher solide aber in Sorge
Eine deutliche Warnung kam kürzlich vom baden-württembergischen Sparkassenpräsident Peter Schneider, der als einer der Ersten im öffentlich-rechtlichen Sektor zwar eine solide Jahresbilanz 2020 vorstellte, aber zugleich sagte: „Was uns zunehmend mit Sorge erfüllt, ist die Länge des Lockdowns: Mit jedem weiteren Tag kommen mehr Kunden in Schwierigkeiten.“ Gerade die Lage einiger Geschäftskunden, die lange schließen mussten, „wird von Tag zu Tag dramatischer“. Schneider geht davon aus, dass mehr Firmen in die Pleite rutschen werden, sobald die Insolvenzantragspflicht wieder voll greift. „Da zappelt noch mancher, der sonst früher hätte Insolvenz anmelden müssen.“ [2]
EZB warnt vor drohenden Kreditausfällen
Auch Andrea Enria, oberster Bankenaufseher der EZB, warnte die Institute gerade erst davor, drohende Kreditausfälle nicht ausreichend in den Bilanzen zu berücksichtigen. In einem Brief an die Vorstandschefs der größten europäischen Institute forderte er die Geldhäuser auf, ihre Kreditrisiken sorgfältiger zu bilanzieren. [3] Die europäischen Banken gingen mit den möglichen Belastungen sehr unterschiedlich um und würden bilanziell zum Teil nicht alle Risiken ausreichend berücksichtigen, so Enria. Angesichts der Corona-Krise sei es aber „immer wichtiger, sicherzustellen, dass das Risiko in ihren Bilanzen angemessen beurteilt, eingestuft und bemessen wird“, schrieb er. Beim Auslaufen staatlicher Hilfen könnte es aber gefährlicher werden.
Kreditausfälle könnten sich vervierfachen
Laut Bundesbank könnten sich die Kreditausfälle der deutschen Banken auf 0,8 Prozent des Kreditbestands vervierfachen. Das klingt erst einmal überschaubar, würde sich aber auf rund 13 Milliarden Euro summieren. Besonders im Blick haben die Aufseher dabei Flugzeugkredite: Die großen deutschen Regionalbanken haben laut Berechnungen von Bloomberg allein 15 Milliarden Euro für die Finanzierung von Flugzeugen verliehen. Dieser Markt wird sich aber so schnell nicht erholen.
Insolvenzen könnten dieses Jahr massiv zunehmen
Mit riesigen Summen stützt die Bundesregierung Unternehmen, die durch die Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie Umsatzeinbußen haben. Rechnet man alle Hilfen zusammen, kommt mehr als eine Billion Euro zusammen. Doch nicht nur Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing warnt vor „Zombie-Unternehmen“, die nur künstlich am Leben gehalten werden, weil die Pflicht zum Stellen eines Insolvenzantrags seit März 2020 teilweise ausgesetzt ist. Ab dem 1. Mai 2021 soll diese wieder in Kraft treten. Die Bundesbank warnt deshalb, dass die Insolvenzen in Deutschland auf über 6.000 pro Quartal steigen könnten.
Jedes elfte Unternehmen akut von Zahlungsunfähigkeit bedroht
BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels rechnet für das ganze Jahr mit „einem 20- bis 30-prozentigen Anstieg“ der Pleiten. Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei der Auskunftei Creditreform, prognostiziert 24.000 Insolvenzen nach rund 16.000 in 2020. Laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer sieht sich jedes elfte Unternehmen akut von der Zahlungsunfähigkeit bedroht.
Einer Studie der Unternehmensberatung Bearingpoint zufolge hat sich die Risikovorsorge der europäischen Banken im ersten Halbjahr 2020 auf gut 60 Milliarden Euro verdreifacht, in Deutschland sogar vervierfacht. In 2020 waren aber die Aussichten noch etwas besser, seither hat sich das wirtschaftliche Klima wieder eingetrübt.
Kommt die Kreditklemme?
Problematisch ist nach Ansicht von Finanzprofessor Martin Faust von der Frankfurt School nicht nur der Anstieg von faulen Krediten, sondern eine generelle Verschlechterung der Bonität von Unternehmen. Banken müssen Darlehen in einem solchen Fall mit mehr Eigenkapital hinterlegen. „Die Frage ist, wie schlecht es den Firmen wirklich geht und was mit dem ganzen Mittelstand ist. Dadurch besteht die Gefahr, dass Volksbanken und Sparkassen stärker betroffen sind als die großen privaten Institute“, sagt Faust. Denn Häuser wie die Deutsche Bank profitieren – zumindest derzeit – von einem florierenden Kapitalmarktgeschäft. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat allerdings bereits eingeräumt, dass die Zuwächse im Investmentbanking 2021 nicht mehr so hoch sein dürften wie im vergangenen Jahr.
Politiker und Regulierer schauen genau hin, wie sich die Situation für die Banken entwickelt. Die Geldhäuser sollen zwar den Kredithahn für die Unternehmen nicht zudrehen, deshalb sind sie den Banken mit einer ganzen Reihe von Erleichterungen entgegengekommen. Gleichzeitig wollen sie aber verhindern, dass die Institute Firmen weiterhin mit Krediten versorgen, die auf Dauer nicht überlebensfähig sind. „Derzeit sehen wir keine Kreditklemme, aber sie kann sehr gut 2021 drohen“, warnt Professor Schalast.
Genossenschaftliche Banken sehen sich gewappnet
Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied beim Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), sieht die genossenschaftliche Finanzgruppe gewappnet, um die realwirtschaftliche Krise gut zu überstehen. Sie habe ihr bilanzielles Eigenkapital in den vergangenen zehn Jahren auf 116 Milliarden Euro verdoppelt. „Bei der Unterstützung unserer Kunden mit Krediten sehen wir die Risiken weiterhin als gut beherrschbar an, auch wenn Kreditrisiken regelmäßig überprüft werden müssen“, sagt Hofmann.
[1] https://www.n-tv.de/wirtschaft/Nicht-alle-Banken-ueberleben-Corona-Krise-article22217992.html
[3] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/banken-insolvenzen-corona-kreditausfaelle-1.5166648