Die Deutschen sind wahre Bargeldliebhaber. Was bereits seit einigen Jahren die Runde macht, bestätigen auch die jüngsten Zahlen einer Studie der Europäischen Zentralbank. Demnach haben Bürger hierzulande mit 103 Euro so viel Bargeld in der Tasche wie in keinem anderen Land der Eurozone. Zum Vergleich: Im Mittel der Euroländer waren es lediglich 65 Euro. Für fast 80 Prozent aller Bezahlvorgänge sind zudem Banknoten und Münzen das Zahlungsmittel der Wahl. Lediglich in Malta, Zypern und Spanien lag die Quote noch höher. Obwohl unbare Bezahlmethoden per Kreditkarte oder girocard an Zuspruch gewonnen haben und inzwischen auch vermehrt kontaktlos möglich sind, setzen die Deutschen sie allenfalls bei größeren Beträgen ein. In Europa existiert ein klares Gefälle zwischen den bargeldtreuen Südeuropäern, Deutschland, Österreich und Slowenien einerseits und den skandinavischen Ländern, Estland und den Niederlanden andererseits. Dort wickeln nur 45 Prozent der Verbraucher ihre Zahlungen an der Kasse in bar ab. Höher im Kurs steht hier Mobile Payment.
Gründe für Bargeldliebe
Trotz Digitalisierung und zunehmender Akzeptanz für Karten- und Mobile-Payment-Lösungen verdeutlichen die Zahlen, dass ein vollständiges Ersetzen des Bargeldes in Deutschland zugunsten alternativer Bezahlmöglichkeiten nicht allzu schnell Realität werden wird. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Bargeld gilt als vergleichsweise sicher und genauso schnell wie leicht zu handhaben. Außerdem vertrauen zwei von drei Deutschen eher dem Bargeld, weil sie glauben, damit eine bessere Kontrolle über die eigenen finanziellen Ausgaben zu haben. Außerdem sorgt es für Anonymität.
Und was scheinbar nicht zu unterschätzen ist: Die Deutschen haben eine emotionale Bindung zum Bargeld. Ein Indiz hierfür steckt in der Umstellung auf den Euro und die damit einhergehende Abschaffung der populären D-Mark. Das bundesdeutsche Zahlungsmittel glich über Jahrzehnte hinweg einem Symbol für das Land, seinen Wiederaufbau und Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg. All das zeigt: Geld ist letztlich kein reines Zahlungsmedium, sondern hat eben auch andere Bedeutungen. Ob bargeldlose Zahlungsmittel ähnliche Funktionen übernehmen können, muss sich noch zeigen.
Barzahlungen in Schweden: 27 Prozent
Wie es anders gehen kann, beweist ein Blick über die Landesgrenzen. Innerhalb Europas ist der Bundesrepublik vor allem Skandinavien einen großen Schritt voraus. Schweden ist bekannt für seine Innovationen im Bereich Banking. Steht nun mit dem bargeldlosen Zahlen die nächste Revolution ins Haus? Die Zahlen sprechen dafür – 27 Prozent, also nur knapp jeder Vierte, tätigt seinen Einkauf dort mit Bargeld. Über das Land verteilt gibt es rund 60 Prozent weniger Geldautomaten als in Deutschland, sogar Kirchen arbeiten mit Scanner und Kartenleser für die wöchentliche Kollekte. Für eine breite Akzeptanz mobiler Bezahllösungen sorgt auch die populäre P2P-Anwendung „Swish“. Sie ermöglicht Geldtransfer von Handy zu Handy und macht den transferierten Geldbetrag in Echtzeit auf dem Konto verfügbar. Mittlerweile kann „Swish“ mehr als fünf Millionen Nutzer aufweisen.
Auch in anderen Teilen der Welt, in denen einer großen Anzahl von Menschen der traditionelle Zugang zu Banken verwehrt bleibt, zeigt sich ein gänzlich anderes Bild. In Afrika ist Mobile Payment längst eine etablierte Größe. Seit Mitte der 90er-Jahre galt zunächst das Handy und später das Smartphone als Hoffnungsträger: Als ein Massenprodukt sollte das Mobilfunkgerät das bargeldlose Bezahlen von überall für jeden möglich machen. In Afrika verfügen 350 Millionen Menschen über mobiles Internet, 91 Millionen von ihnen zahlen mit dem Smartphone. Das bedeutet fast ein Drittel mehr Nutzer als in Europa und dies, obwohl die Anzahl der Menschen, die hier Zugang zu mobilem Internet haben, beträchtlich höher liegt. Treiber der Entwicklung auf dem Kontinent ist M-Pesa, ein Dienst der Vodafone-Tochter Safaricom, der in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag feiert. Pesa bedeutet auf Suaheli „Geld“ und wurde ursprünglich entwickelt, um kleine Geldbeträge per SMS von einem Nutzer zum anderen zu schicken. Im letzten Jahr lag die Anzahl der über M-Pesa abgewickelten Transaktionen weltweit bei sechs Milliarden.
Global Player Indien und USA
In Indien, bis vor wenigen Jahren eine reine Bargeldgesellschaft, legt Mobile Payment in den vergangenen Monaten einen rasanten Aufstieg hin. Der Wandel kam nicht ganz freiwillig. Im November 2016 erklärte die indische Regierung Scheine im Wert von 500 und 1000 Rupien mit sofortiger Wirkung für ungültig – und damit über 80 Prozent des indischen Bargeldes. Zweck der Reform war der Kampf gegen Kriminalität und Korruption. Die alten Scheine mussten umgetauscht oder zunächst auf ein Bankkonto eingezahlt werden. Der Subkontinent, auf dem bis dato gut 90 Prozent aller finanziellen Transaktionen und 98 Prozent aller Konsumausgaben in bar abgewickelt wurden, stürzte kurzzeitig ins Chaos. In der Zwischenzeit brachte der Staat eine App für digitales Zahlen heraus, die Bharat Interface for Money (BHIM), welche zehn Millionen Mal heruntergeladen wurde; private digitale Bezahlanbieter verzeichnen immense Zuwächse. So beispielsweise das indische Fintech-Unternehmen Paytm, welches mit inzwischen rund 250 Millionen Usern die Anzahl seiner Kunden in den vergangenen zwölf Monaten verdoppeln konnte.
Uncle Sam ist beim bargeldlosen Bezahlen ebenfalls einen Schritt weiter. Für weniger als ein Viertel aller Umsätze, und damit noch seltener als im europäischen Vorzeigeland Schweden, wandert in den USA noch Bargeld über die Ladentische. Konto- und Kreditkarten kommen auf 27 beziehungsweise 28 Prozent. Mehr als die Hälfte aller Umsätze entfallen somit auf die handlichen Begleiter im Scheckkartenformat. Ganz zu schweigen von PayPal. Der amerikanische Payment-Gigant und Revolutionär in Sachen Bezahlvorgang ist inzwischen in den meisten amerikanischen Geschäften als Bezahlmethode vertreten. Seitdem PayPal zudem über eine Banklizenz verfügt und seinen Nutzern auch P2P-Zahlungen ermöglicht, wird es den etablierten Finanzinstituten auch in Zukunft Konkurrenz machen.
Deutschland wird mobil
Die Zukunft für unbare oder mobile Bezahllösungen in Deutschland bleibt spannend. Volkswirtschaftlich betrachtet, ergibt ein Schwenk in Richtung bargeldloses Bezahlen durchaus Sinn. Der Handel zahlt gemäß einer Untersuchung der Steinbeis Hochschule in Berlin rund 6,7 Milliarden Euro für An- und Abtransport, Sicherheit und Versicherung von Bargeld. Banken tragen weitere 3,9 Milliarden für die Bereitstellung und Versicherung. Eine beträchtliche Summe Geld, die letztlich zu höheren Preisen führen, weil sie auf die Verbraucher umgelegt werden. Vergleichsweise moderat erscheinen hingegen die Gebühren, die der Handel an die Kartenbetreiber zu entrichten hat. 0,3 Prozent des Umsatzes werden für Kreditkartenzahlungen fällig; die Gebühr beim Einsatz von Kontokarten liegt mit 0,17 Prozent noch darunter.
Grundsätzlich ist auch im Bereich Mobile Payment von einem Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage auszugehen. Laut einer aktuellen Studie der GFT können sich 71 Prozent der jüngeren Konsumenten vorstellen, kleinere Beträge mit dem Smartphone zu begleichen. Je öfter die Menschen also hierzulande an neue Lösungen herangeführt werden und die Digitalisierung im Bereich Finanzen annehmen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich auch der deutsche Konsument an neue Zahlungsformen gewöhnt. Und ihnen am Ende ein ähnliches Maß an Sympathie entgegenbringt wie dem guten alten Bargeld.
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