Die erste Welle der Digitalisierung hat bei den Themen Bankgeschäfte, Bezahlfunktionen und Finanzmanagement längst Einzug gehalten. Bereits 1980 startete die Deutsche Bundespost in Bonn einen Bildschirmtext-Feldversuch. Neben den Versandhäusern Otto, Quelle und Neckermann waren unter anderem TUI und die Verbraucherbank, die heutige Norisbank, daran beteiligt. 200 Kunden in der Testregion Neuss/Düsseldorf konnten das Angebot nutzen und unter *300# ihre Überweisungen online durchführen. Bei Sparkassen war die Lösung ab 1983 im Einsatz.
Digitales Banking erblickt das Licht der Welt
Ab 1999 folgte dann die schrittweise Einführung des Internet-Bankings, wie wir es heute kennen. Und die Privatkunden haben das flexible, jederzeit zugängliche digitale Angebot über die Jahre gut angenommen. 2017 erledigten schon 56 Prozent der Deutschen ihre täglichen Bankgeschäfte ganz selbstverständlich in der Online-Filiale, das ist eine Steigerung von 24 Prozentpunkten im Vergleich zu 2006. Damit liegen die Deutschen im Europavergleich sogar nur im Mittelfeld, deutlich hinter Dänemark (88 Prozent) oder England (64 Prozent). Die Deutschen nutzen Online-Banking vor allem, um den Kontostand zu prüfen (99 Prozent), für Überweisungen (92 Prozent) und Daueraufträge (72 Prozent). Eine Beratung zu privaten Finanzthemen über Livechats und E-Mail fragen dagegen bisher nur rund 17 Prozent der Nutzer nach.
Verbreitung von Online-Banking
Mit der Ausbreitung der Smartphones und Tablets hat sich nicht nur der Zugriff über mobile Geräte und Angebote deutlich erweitert. Allein bei den Sparkassen nutzen mittlerweile über sechs Millionen Privatkunden die Online-Banking-App der Sparkasse auf ihrem Smartphone. Auch die Nutzungsintensität hat seit der Einführung mobiler Banking-Apps erheblich zugenommen. Statt nur einmal pro Woche einen Kontoauszug zu ziehen, prüfen App-Nutzer heute mehrfach am Tag ihre Umsätze. Dieser Trend zum mobilen Zugriff hat sich über alle Banken hinweg durchgesetzt.
Neue Angebote und digitale Services durch FinTechs
Interessant ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Selbstverständlichkeit, mit der digitales Banking mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Wichtiger ist fast, dass sich in den letzten Jahren auch die Akzeptanz und Adoptionsgeschwindigkeit von neuen digitalen Angeboten rasant erhöht hat. Dies betrifft vor allem die Angebote der FinTechs, die in der zweiten Welle der Digitalisierung mit ihren innovativen und nutzerzentrierten Produkten und Services auf den Markt drängen. Neben dem Online-Zahlungsabwickler PayPal und TransferWise, einem Anbieter für internationale Überweisungen, gehören dazu Banking-Apps wie Numbrs, rein Smartphone-basierte Kontolösungen wie N26, digitale Vermögensmanager wie Liqid und Roboadvisors wie Scalable.
Nach einer Ernst-&-Young-Studie von 2017 hatte bereits jeder dritte Privatkunde (33 Prozent) innerhalb von sechs Monaten zwei oder mehr solcher innovativen FinTech-Angebote aus dem Bereich Payment, Finanzplanung, Sparen, Finanzierung und Versicherungen in Anspruch genommen. In einer 18 Monate früher veröffentlichten Umfrage von Ernst & Young waren es noch weniger als die Hälfte (16 Prozent). Besonders aufgeschlossen sind die Verbraucher für innovative Angebote von FinTechs im Zahlungsverkehr: 50 Prozent nutzen solche Apps, 65 Prozent können sich dies für die Zukunft vorstellen. Immerhin 13 Prozent der Nutzer sind schon heute aktive Kunden bei fünf oder mehr der jungen Anbieter digitaler Finanzdienstleistungen.
Mittlerweile hat sich zwar herausgestellt, dass die etablierten Banken von den FinTechs doch nicht so schnell zur Seite geschoben werden konnten wie ursprünglich von den Digitalisierungsenthusiasten vorhergesagt. FinTechs werden auch von den Banken heute eher als Ergänzung und als strategische Partner wahrgenommen, die das eigene Angebot erweitern oder für Effizienzsteigerungen in den Prozessen sorgen können.
Der Druck steigender Kundenerwartungen und der Innovationsdruck durch den Wettbewerb wird weiter zunehmen. Und auch wenn manche Start-ups im Banking scheitern – erst im August 2018 gerieten zwei Peer- to-Peer-Payment-Anbieter ins Straucheln, einer von Ihnen gab inzwischen auf –, werden andere doch zu großen Playern im Markt. Erst Anfang September 2018 rückte mit Wirecard der erste junge Finanzdienstleister in die Riege der DAX-Unternehmen auf – und zwar auf den Platz, den die Commerzbank frei machen musste.
Alltägliche Banking-Geschäfte werden fast nur noch digital erledigt
Fakt ist einerseits: Die Kunden sind durch das Internet viel selbstbestimmter geworden. Die Abwicklung alltäglicher Banking-Geschäfte findet heute fast nur noch digital statt. Laut einer Studie von Mastercard ist zwar nur eine Minderheit bereits Kunde einer Digitalbank, doch mit 79 Prozent nutzt die überwiegende Mehrheit bereits Online-Banking oder Mobile-Banking.
Fakt ist aber auch, dass die meisten Sparkassen und Banken in Deutschland über ansprechende digitale Services verfügen. Ginge es alleine nach den Innovationswünschen der Kunden, gäbe es laut einer Studie der Comdirect für die Banken kaum Handlungsbedarf. So gaben 77 Prozent der Befragten an, dass sie mit dem Innovationsgrad zufrieden sind; und 97 Prozent sind mit ihrer Hausbank „eher“ bis „sehr zufrieden“.
Facebook, Google und Co. als digitale Konkurrenten um Kundenkontakt
Die Zahlen zeigen, dass in Deutschland die Bindung der Kunden an ihre Hausbanken nach wie vor stark ist. Doch dasselbe können auch Technologieriesen wie Google oder Facebook behaupten: Per Smartphone oder Tablet, Apps und sozialen Netzwerken sind sie tief im Leben der Nutzer verwurzelt. Schon bald, so die Befürchtung, könnten Banken den direkten Kontakt zu ihren Kunden verlieren. Bislang sind Google, Amazon, Facebook und Apple mit wenigen Finanzdienstleistungen aktiv, meist beschränkt auf einzelne Länder. So können Nutzer von Google-Mail per E-Mail Geld verschicken, Amazon hat mit Amazon Pay ein eigenes Bezahlsystem und vergibt Kredite. Auch über den Facebook-Messenger kann in manchen Ländern Geld verschickt werden, Apple ist mit seinem Bezahlsystem Apple Pay aktiv.
Digitale Services richtig vermitteln
Die neusten Entwicklungen zeigen, der Banking-Markt ist in Bewegung. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Fähigkeit der Finanzinstitute, innovative digitale Services erfolgreich zu lancieren dramatisch an Bedeutung. Sparkassen und Banken stehen hier heute insbesondere vor der Herausforderung, mobile Anwendungen zu entwickeln und zu vermarkten, um in wenigen Jahren überhaupt noch mit ihren Kunden in Kontakt treten zu können. Denn, daran besteht kaum Zweifel, in absehbarer Zeit wird der überwiegende Teil der Kunden weitestgehend nur noch über mobile Devices mit Sparkassen und Banken kommunizieren.
Big Data und PSD2 als Chance für Banken begreifen
Vor dieser Entwicklung müssten sich Sparkassen und Banken eigentlich nicht fürchten. Stellen sie es richtig an, ist die Digitalisierung und „Mobilisierung“ der Finanzdienstleistungen für die etablierten Player vor allem mit Chancen verbunden. Die Finanzinstitute haben eine Reihe von Trümpfen in den Händen, die sie gegenüber Facebook, Google und FinTechs ausspielen können. Dazu gehören das hohe Vertrauen der Kunden, die oft langjährige Beziehung der Banken und Sparkassen zu ihnen sowie, daraus hervorgehend, detaillierte Daten über das Verhalten und die Wünsche der Kundengruppen. Noch scheuen sich Sparkassen und Banken noch allzu oft, diese Möglichkeiten für ihre Zwecke einzusetzen, oder sie befassen sich noch zu wenig damit. Ein Umdenken an dieser Stelle ist jedoch erwartbar, denn ab September 2019 werden mit der neuen EU-Richtlinie PSD2 verstärkt Drittanbieter in mögliche Lücken vorstoßen. Im Fokus der Drittanbieter steht die traditionelle Wertschöpfungskette der Sparkassen und Banken. Denn ob Girokonto, Kredite, Payment oder Factoring, bis heute ziehen die Finanzinstitute aus jedem der einzelnen Bestandteile des Bankings Margen. Das Erfolgsmodell der FinTechs basiert im Prinzip darauf, einzelne, profitable Dienstleistungen herauszupicken und dafür eigene Lösungen zu entwickeln.
Einfachheit und Nutzerzentrierung im Fokus
FinTechs spezialisieren sich dabei fast immer auf möglichst einfache, nutzerzentrierte Lösungen. Dabei machen sie sich zunutze, dass die Trends der kommenden Jahre einem Stichwort untergeordnet werden: Einfachheit. Das, was den Kunden bedarfsgerecht berät, wird sich durchsetzen. Anwendungen, die Komplexität verringern und nicht nur Banking, sondern auch weitere Services unter einem Dach vereinen, werden Erfolg haben. Gut ist, was Mehrwert schafft.
Hier können Sparkassen und Banken perfekt auf ihrem Datenschatz aufbauen. Die langjährigen Kundenbeziehungen machen es möglich, aufgrund der digitalen Datenströme sind Sparkassen und Banken heute in der Lage wie nie zuvor, jederzeit genau zu wissen, was der Kunde gerade will oder wonach er sucht. Anlässe wie der erste Mietvertrag können heute von Sparkassen und Banken auf Basis von Nutzerdaten im Internet erkannt werden. Die Finanzinstitute können solche Anlässe dann nutzen, um Kunden ganz gezielt mit passenden, anlassbezogenen Services anzusprechen. Unterzeichnet also ein Kunde seinen ersten Mietvertrag, kann die Sparkasse oder Bank beispielswiese mit einem Kreditangebot für den Möbelkauf auf ihn zugehen. Eine solche Analyse der Daten und die darauf aufbauende Generierung von Services ist für Sparkassen und Banken sehr attraktiv.
Die etablierten Institute können sich hier viel von der unbedingten Nutzerorientierung der neuen Player abschauen, die bei ihren Lösungen den User ohne Kompromisse in den Fokus rücken wollen. FinTechs haben hier den Vorteil, dass sie insgesamt freier in der Gestaltung neuer Services sind. Im Gegensatz zu klassischen Finanzinstituten müssen sie weniger Rücksicht auf die Bedürfnisse und Gewohnheiten langjähriger Bestandskunden nehmen.
Doch das soll keine Ausrede sein, auch Sparkassen und Banken haben erkannt, dass es essenziell ist, sich bei der Weiterentwicklung der digitalen Services an den Prämissen Einfachheit und Nutzerzentrierung zu orientieren. Die Entwicklung entsprechender Angebote ist auch eine Frage der Unternehmenskultur. Grundsätzlich liegen der Verbesserung von User Experience und Usability mutige Entscheidungen zugrunde. In den USA sind Mentalität und Kultur hinsichtlich der Entwicklung neuer, kundenorientierter Services grundverschieden zur deutschen oder europäischen Herangehensweise. Verschiedene Dinge ausprobieren und das Scheitern als wertvollen Teil kreativer Schöpfung zu akzeptieren, sind dort wesentliche Bestandteile der unternehmerischen DNA.
FinTechs setzen den Fokus auf den Nutzer und machen jegliche Entwicklung von ihm und seinen Bedürfnissen abhängig, Sie sind agil und entwickeln rasch in eine bestimmte Richtung. Es ist daher die Herangehensweise, welche die Quelle der Inspiration für etablierte Finanzinstitute ist.
Kooperation statt Konkurrenz für das Banking der Zukunft
Die Erfahrung zeigt, dass aus Kooperationen zwischen Sparkassen und Banken mit FinTechs Mehrwerte für beide Seiten entstehen. Institute können viel von der Vorgehensweise der FinTechs lernen, und die jungen Unternehmen profitieren ihrerseits von der Expertise und dem Kundenstamm der etablierten Häuser. Genau hier liegt für eben diese eine Chance. Im Rahmen von Kooperationen mit den FinTechs entwickeln sie gemeinsam Lösungen für eigene Kundengruppen. Mit neuen Programmierschnittstellen öffnen sich die Finanzinstitute der Innovationskraft der FinTechs und schaffen gemeinsam mit diesen die Grundlage für eine neue Wertschöpfung.