Die Digitalisierung ist dabei, mehr und mehr Lebensbereiche zu erfassen. Smartphones sind mittlerweile für die meisten Konsumenten eine Selbstverständlichkeit. War der Computer noch hauptsächlich der Büroarbeit und anspruchsvollen Hobbys vorbehalten, sind Smartphones aus dem Alltag inzwischen nicht mehr wegzudenken.
Und wenn Einkäufe und Bankgeschäfte heute über Smartphone und Tablet abgewickelt werden, ergeben sich zwangsläufig Auswirkungen auch auf andere Finanzbereiche. Die Versicherungsbranche ist im Moment dabei, digitale Formen für ihre Zwecke zu entdecken und anzuwenden. Besonders die Startup-Szene hat bereits diverse Anbieter hervorgebracht, die als sogenannte InsurTechs Versicherungen anbieten, indem sie die Vorteile neuer Technologien nutzen.
Der Begriff InsurTech
In den meisten Branchen und Unternehmen haben sich Strukturen und Wertschöpfung durch den digitalen Wandel bereits erheblich verändert. Auch die Versicherungen sind derzeit dabei, die neuen Möglichkeiten in Geschäftsmodelle zu integrieren. Die Bezeichnung ist ein Kompositum aus den englischen Begriffen „Insurance“ und „Technology“. Gemeint sind Versicherungsgesellschaften, die digitale Technologien anwenden, um Verträge anzubieten, Maklerkosten zu sparen und den Bedürfnissen der Kundschaft entgegen zu kommen.
Startups als Markttreiber
Weit mehr als 442 Millionen Euro Eigenkapital wurden im Jahre 2019 in Startups investiert, die im Bereich der digitalen Versicherung aktiv waren. Damit leisten sie einen erheblichen Beitrag zur Förderung des Wettbewerbs. Der Abschluss einer Versicherung wurde günstiger, kundenfreundlicher und einfacher. Neue Versicherungsmodelle erschienen auf dem Markt, die Kommunikation zwischen Versicherern und Kunden wurde optimiert, neue Methoden für die Verwaltung und die Beratung eingeführt. Der Vorteil der Startups liegt in ihrer Effizienz, denn die digitalen Prozesse sind erheblich schneller als die analogen. Außerdem operieren sie ohne Geschäftsstellen, was in erheblichem Umfang Kosten einspart. Eine Studie des bekannten Mc-Kinsey-Instituts fand heraus, dass etwa ein Viertel der Makler-Stellen im Zuge der Digitalisierung verschwinden wird.
Neue Methoden, neue Modelle
Durch die technische Entwicklung ergeben sich neue Möglichkeiten für die Versicherungsunternehmen. Die Auswirkungen auf die Vertragskonstellationen und den Kundenkontakt sind vielfältig und tiefgreifend. Im Bereich der Krankenversicherung können etwa die Daten von Apps für Verträge relevant werden. Damit kann eine Individualisierung der Versicherungsbeiträge einher gehen und umsichtiges Verhalten belohnt werden. Die Versicherung bietet dann Boni für die Teilnahme an Fitnessprogrammen oder günstigere Beiträge.
Ein völlig neues Konzept ist die Peer-to-Peer Insurance. Unter der Vermittlung der Versicherung schließen sich mehrere Kunden zu einer Gruppe zusammen, die sich in einem Schadensfall gegenseitig finanziell unterstützen. Bleiben die Mitglieder schadensfrei, reduziert sich der Versicherungsbeitrag.
Die Verwaltung ist für die Unternehmen ein erheblicher Kostenfaktor. Wie aus anderen Branchen bereits bekannt, senkt die Digitalisierung die Ausgaben für Personal um ein Vielfaches. Deshalb gehen auch die Versicherungen mehr und mehr dazu über, ihre Produkte im Internet oder über eine App anzubieten. Alle Details eines Vertrags sind online abrufbar, der Versicherte kann die Konditionen jederzeit einsehen und verwalten. Er überträgt mit seiner digitalen Unterschrift die Maklervollmacht an das beauftragte Institut. Auch der Wechsel zu einem anderen Unternehmen oder der Abschluss eines neuen Vertrags ist digital möglich.
Flexible Konditionen auch für besondere Umstände
Kurzzeit-Versicherungen, auch Spot Insurance genannt, wegen ihres geringen Umfangs nicht besonders renditestark, sind als digitales Produkt durchaus rentabel. Versichert wird eine situationsbedingte Nutzung durch den Kunden, etwa durch eine Drittfahrerschutz-Versicherung. Wenn ein Fahrzeug für 24 Stunden an jemanden ausgeliehen wird, kann so eine Versicherung für einen beschränkten Zeitraum eingegangen werden.
Im umgekehrten Fall schließt der Versicherungsnehmer eine Versicherung für sein Smartphone ab, wenn die Garantiezeit abgelaufen ist.
Die Versicherungsprämie kann sich am Verhalten des Kunden orientieren. Nicht mehr die Dauer des Vertragsverhältnisses ist entscheidend, sondern das Verhalten des Kunden. Das Angebot orientiert sich etwa an den gefahrenen Kilometern oder am Fahrverhalten des Verkehrsteilnehmers. Entsprechend niedrige Tarife werden auf diese Weise möglich.
Die Umsetzung durch innovative Unternehmen
In den letzten Jahren sind einige Startups mit entsprechenden Produkten an den Markt gegangen. Zunächst ist ein junger Versicherer mit Namen Friday zu nennen. Er gehört zum Konzern Baloise aus der Schweiz, der in 150 Jahren bereits über eine Million Kraftfahrzeuge versichern konnte.
Das Konzept ist typisch für ein InsurTech: Die Prämie einer Kfz-Versicherung errechnet sich aus den zurückgelegten Kilometern. Beim Vertragsabschluss schätzt der Kunde die Kilometerzahl, die er zu fahren beabsichtigt. Werden es weniger, bekommt er anteilig Geld zurück. Ist er mehr unterwegs, zahlt er den entsprechenden Betrag nach.
Das Konzept lohnt sich für jeden Versicherungsnehmer, der flexibel bleiben will. Wird der Zweitwagen nur selten gefahren, zahlt der Kunde einen wesentlich geringeren Beitrag als bei einer üblichen Versicherung. Bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes ergeben sich längere oder kürzere Wege, bei schlechter Witterung nutzt der Kunde lieber die öffentlichen Verkehrsmittel. All diese Veränderungen der Fahrzeugnutzung bilden sich in den Vertragskonditionen ab, und der Kunde profitiert durch realistische Beiträge, die seinem Nutzerverhalten entsprechen.
Aber das Unternehmen überzeugt nicht nur durch neue Geschäftsmodelle. Nach eigener Aussage soll auch der Vertragsabschluss durch die digitalen Möglichkeiten vereinfacht werden. Menschen, die sich zunehmend online informieren, bekommen nun auch ein Internet-Angebot, mit dem sie eine Versicherung abschließen können. Das Unternehmen setzt besonders auf die Schnelligkeit der digitalen Medien. „In weniger als zwei Minuten“, so die Webseite, soll der Kunde eine Versicherungspolice finden, die seinen Vorstellungen entspricht.
Die App ist modular aufgebaut, der Versicherungsnehmer wählt nach dem Baukastenprinzip die gewünschten Module aus. Auch der Abschluss erfolgt im Internet, was den Beitragssatz reduziert. Sogar die Schadensabwicklung erfolgt digital, ohne die Interaktion zwischen den Kunden und dem Unternehmen zu beeinträchtigen.
Coya: Digitaler Sachversicherer
Auf Schnelligkeit und Effizienz setzt ein weiteres junges Unternehmen mit Namen Coya. Mit einer BaFin-Lizenz ausgestattet, bietet der Versicherer Policen aus den Bereichen Hausrat, Privathaftpflicht, Hundehaftpflicht, Fahrrad- und E-Bike-Diebstahl an. Der Vertrieb läuft komplett papierlos ab, weshalb das Unternehmen nur ganze 55 Mitarbeiter beschäftigt. Auch hier ist eine App im Einsatz. Der Kunde kann seine Vertragskonditionen jederzeit an seine geänderten Bedürfnisse anpassen, auch die Schadensmeldung wird in der App vorgenommen.
Weitere Jungunternehmen in der Versicherungsbranche
Als erster digitaler Sachversicherer in ganz Europa gilt flypper. Auch dieses Unternehmen bietet für Hausrat, Unfall, Gebäude, Privathaftpflicht und Tierhalterhaftpflicht die entsprechenden Produkte an. AppSichern hat sich auf konkrete Situationen spezialisiert, die der Kunde hier absichern kann.
Ein Backoffice bietet wefox. Es übernimmt für den Makler automatisierte Aufgaben. Einfache Anfragen beantwortet ein Bot, der Termine automatisch erstellt und auch vorbereitet. Anders als bei der juvenilen Konkurrenz finden hier noch Beratungsgespräche statt, und zwar mit Hilfe eines Videochat.
Friendsurance ist eine weitere Versicherung nach dem Peer-to-Peer-Prinzip. Clark stellt einmal jährlich seinen Kunden Fragen zu ihrer Lebenssituation, um ihnen Vorschläge für eine Anpassung ihres Vertrages zu machen. Ottonova ist seit 2015 im Bereich der privaten Krankenversicherung (PKV) und Zusatzversicherungen aktiv.
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