Anders als viele vermuten, ist der E-Commerce nicht pauschal der große Gewinner in der Corona-Krise. Gut, für Amazon trifft das schon zu, aber zahlreiche Segmente verzeichnen ein Minus beim Online-Handel. Die Profiteure sind vor allem Lieferdienste im Lebensmitteleinzelhandel wie Amazon Fresh und der Rewe Lieferdienst. Hier zeigt sich, dass der Lebensmitteleinzelhandel, der stationär über ein extrem dichtes Netz verfügt, online nicht gut aufgestellt ist. Lange Wartezeiten bei der Lieferfrist sind die Folge. Sollten die Bürger, und das scheint sich abzuzeichnen, auch nach dem Ende der Corona-Pandemie weiter Lebensmittel im großen Stil online einkaufen wollen, könnte Amazon die Lücke füllen, zum Schaden der alteingesessenen Anbieter.
Profiteure und Verlierer der Krise
Weitere Branchen, die aktuell profitieren, sind Online-Apotheken, Tierbedarf-Versender und Online-Baumärkte. Die Modebranche hingegen ist im selben Dilemma wie die Gastronomie: Die Frühjahrs- und Sommerware, die jetzt nicht verkauft wird, wird nie mehr verkauft. Laut einer Umfrage des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (bevh) brachen die Umsätze im Bekleidungssegment im März 2020 um 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein. Der gesamte Online-Handel büßte 20 Prozent ein. Laut einer Umfrage unter Verbrauchern planen diese, auch nach dem Ende der Corona-Krise weniger Kleidung zu kaufen. Die Schränke seien gut gefüllt, und es fehlen überdies die Anlässe, die Garderobe zu tragen. Das Modekarussell, welches sich zuletzt immer schneller drehte und immer mehr Kollektionen pro Jahr auf den Markt warf, wird nun langsamer werden müssen, eine Veränderung, die sich ohnehin schon abgezeichnete.
In den Bereichen Tourismus, also beispielsweise bei Unternehmen wie booking.com oder airbnb oder im Ticketing (Konzerte, Großveranstaltungen) brach der Umsatz nahezu komplett ein.
Das Einkaufsverhalten ändert sich
Aber wie geht es weiter? Laut einer Analyse von Arvato Supply Chain Solutions sieht man an der Coronakrise beispielhaft, wie das Einkaufsverhalten in Krisensituationen verläuft. Produkte, die der Gesunderhaltung dienen sollen (Mundschutz) werden verstärkt nachgefragt. Die Speisekammer wird aufgestockt (Hamsterkäufe), generell erfolgt, auch aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit, eine Konzentration auf das Wesentliche. Nicht notwendige Ausgaben (Kleidung) werden gestrichen. Durch den Rückzug ins Häusliche wird verstärkt online bestellt.
Was kommt nach Corona?
Wichtig für die künftige Entwicklung ist laut der Analysten von Arvato Supply Chain Solutions vor allem, wie schnell der Rückgang zur Normalität erfolgt und wie stark die Verunsicherung der Bürger weiterhin ist. Die Börse und die Wirtschaftsweisen gehen von einem „V-Verlauf“ aus, das bedeutet, dass auf einen starke Schwächung der Konjunktur im ersten Quartal 2020 bereits zum Ende des zweiten Quartals eine Erholung erfolgt und zurückgehaltene Konsumausgaben dann nachgeholt werden.
Die Deutsche Bank hingegen nimmt einen „U-Verlauf“ an. Dabei folgt auf ein schwaches erstes Quartal ein ebenso schwaches zweites. Die anhaltende Unsicherheit belastet den Konsum, eine Rezession wäre die Folge. Die Analysten von Arvato Supply Chain Solutions gehen von einem verlangsamten „V-Verlauf“ aus, also quasi ein „Hockeystick“, was daran liegt, dass die Lockerungen schrittweise erfolgen und nicht im Hauruck-Verfahren. Es wird in 2020 zu einem Wirtschaftseinbruch kommen, der zwischen 2,8 Prozent (Sachverständigenrat der Bundesregierung) und 4,2 Prozent (Gemeinschaftsprognose der Wirtschaftsinstitute) liegen könnte.
Für den E-Commerce ist die Prognose dabei günstiger als für die Gesamtwirtschaft, gibt es doch mit Gastronomie, Automobil und stationärem Einzelhandel Branchen, die noch deutlich härter getroffen wurden. Die Analysten gehen davon aus, dass kleinere Ausgaben schneller wieder getätigt und größere Anschaffungen auf das Jahr 2021 verschoben werden.
Wichtiger ist jedoch, dass die Coronakrise strukturelle Änderungen anstößt. Die oft eingefahren Kanalstrukturen, gerade bei Multichannel-Playern, müssen überdacht, der Online-Kanal muss in vielen Fällen ausgebaut und optimiert, das Retail-Geschäft verschlankt werden. Bei den Lebensmittel-Lieferdiensten ist deutlich Luft nach oben. Hier gilt es, Strukturen zu schaffen, um die erwachte Bestell-Lust der Deutschen in diesem Bereich langfristig nicht allein Amazon zu überlassen.
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