Im Star Finanz Blog beschäftigen wir uns regelmäßig mit aktuellen Themen und Trends aus der Banking-, Fintech- und Payment-Welt. Dazu zählen auch Kryptowährungen wie bspw. Bitcoin, Ethereum oder IOTA. Vor diesem Hintergrund haben wir im letzten Jahr Holger Köther, Director of Partner Management bei der IOTA Foundation, zum Interview gebeten. Mehr als ein Jahr später wird es Zeit für ein Update.
Holger, ein gutes Jahr ist seit unserem letzten Interview vergangen. Kannst du eins einmal ein Update geben, was in den vergangen zwölf Monaten alles rund um IOTA bzw. der IOTA Foundation passiert ist?
Hallo Thomas, vielen Dank für die Einladung. Es ist in der Tat unglaublich viel seit Mai 2020 geschehen. Neben der neuen Hornet Node Software haben wir mit “Chronicle” nun zusätzlich eine Permanode, welche IOTA Events permanent speichert, so dass Digitale Identitäten, Zwillinge etc, also langlebige Daten, auch nach vielen Jahren noch verfügbar sind. Daneben haben wir neue oder verbesserte Frameworks für das Daten-Management im IOTA Tangle vorgestellt, wie IOTA Streams, “Stronghold” für eine äußerst sichere private Schlüsselverwaltung, die Smart Contracts Alpha auf IOTA und auch das Alpha- und inzwischen Beta-Release der IOTA Identity, die nun auch offiziell beim W3C Standard registriert ist. Im Wirtschaftsbereich haben wir mehrere große EU Ausschreibungen mit Konsortialpartnern gewonnen. Dort geht es zum einen um wesentlich verbesserten Schutz gegen Cyberangriffe, aber auch darum für das EU bekannte ERASMUS+ Programm die DLT & Blockchain Lehrpläne der kommenden Jahre zu entwickeln. Dass wir der einzige DLT Partner sind, der für das EU CHAISE Projekt ausgewählt wurde, ist bereits ein Ritterschlag. Wir freuen uns sehr, dass die Vorteile von IOTA sich immer schneller herumsprechen und verbreiten. Zudem arbeiten wir weiterhin sehr eng mit dem Weltmarktführer Zebra Technologies und anderen Unternehmen zusammen, um das Thema Datensicherheit und -nachvollziehbarkeit nativ in Marktlösungen zu integrieren. Datenintegrität wird ein immer wichtigeres Qualitätskriterium werden. Firmen welche diese unverfälschbar nachweisen können werden dies auch als Marktvorteil nutzen können.
Am 28. April habt ihr mit Chrysalis das bislang umfangreichste Netzwerk-Update in der Geschichte von IOTA abgeschlossen. Kannst du etwas zu den Hintergründen des Updates und dessen Inhalte sagen?
“Chrysalis” ist das mit Abstand größte Update in der Geschichte IOTA’s. Wir haben alles bisherige auf den Prüfstand gestellt und IOTA mit den Erfahrungen der letzten Jahre komplett neu geschrieben. Dies beinhaltet umfangreiche Spezifikationen, Wallets, Bibliotheken, genutzte Programmiersprachen, Hash-Funktionen usw. Komplizierte oder “exotische” Teile sind rausgeflogen. Stattdessen wurden die Anforderungen der Industrie nach den sichersten Marktstandards implementiert. Das bedeutet wesentlich modulare Strukturen für Entwickler die dazu führen, dass IOTA einfacher zu benutzen ist und Projekte schneller integriert werden können. Zusätzlich haben wir den Energieverbrauch weiter gesenkt: für den gleichen Stromverbrauch einer Bitcoin Transaktion sind über 600 Millionen IOTA Transaktionen möglich. Zu weiterhin Null Gebühren.
In einem Interview hat Dominik Schiener, der Co-Founder von IOTA, vor kurzem davon gesprochen, dass das IOTA-Netzwerk mit dem Chrysalis-Update die Unternehmensreife erreicht hat. Was genau verbirgt sich dahinter?
Unternehmensreife (Enterprise Ready) bedeutet dass sich Firmen darauf verlassen können, dass wir ein stabiles, verfügbares und hochperformantes Netzwerk bieten, auf dem produktive Entwicklungen begonnen werden können, ohne dass der Entwickler fürchten muss, dass er mit der nächsten Version wieder alles umschreiben muss. Die Änderungen mit Chrysalis als “big bang” sind zwar sehr umfangreich, aber unser Ziel ist, dass sich ab jetzt aus Entwicklersicht nicht mehr viel ändert. Entwickler können die bestehenden Schnittstellen, Funktionen etc. auch mit den nächsten IOTA Versionen ohne große Änderungen am Code nutzen.
Ihr befindet euch gerade in den Vorbereitungen einer neuen Serie namens „IOTA for Business“. Darin geht es um mögliche Anwendungsfälle von IOTA im Unternehmensumfeld. Kannst du uns hierzu einen Ausblick geben bzw. Beispiele für Einsatzmöglichkeiten nennen?
IOTA ist technisch eines der ambitioniertesten, wenn nicht sogar DAS ambitionierteste Projekt der DLT Geschichte, da es mit dem Tangle-Netzwerk auf eine völlig neue Struktur setzt, welche nicht nur die Nachteile der traditionellen Blockchain außen vor lässt, sondern auch die notwendige Basis für die Entwicklungen der nächsten Jahre bietet. Mit IOTA for Business wollen wir IOTA allen Entscheidern und nicht-Technikern näher bringen, wie IOTA in den eigenen Enterprise Application Stack integriert werden oder wie einfach die eigene Applikation IOTA-fähig gemacht werden kann. Wir beleuchten auch Use-Cases welche gerade von Unternehmen auf IOTA Basis implementiert werden.
Für die zweite Jahreshälfte ist die Veröffentlichung des Testnet Nectar geplant. Welche Ziele verfolgt ihr mit der Einführung?
Mit dem DevNet 2.0 (vormals Nectar, die Versionierung ist jedoch leichter nachvollziehbar) bringen wir die notwendigen Bausteine für ein hochskalierbares IOTA 2.0 zusammen. Die größte Kritik an IOTA war immer, dass der “Koordinator” noch von der IOTA Stiftung betrieben wird. Dies ist ein Taktgeber, welcher zentral über vorliegende Konflikte im Netzwerk entscheidet. Da IOTA keine traditionelle Blockchain ist und dazu noch weitere Designkriterien hatte (geringster Energieverbrauch, hohe Skalierbarkeit, keine Transaktionsgebühren) gab es bis dato keinerlei Forschung wie ein Netzwerk alle diese Kriterien vereinen kann. Als technische Stiftung haben wir ein einmaliges Research-Team. Dieses hat im Laufe der letzten Jahre, und in weltweiter Kollaboration (Peer Reviews) mit Universitäten und Wissenschaftlern, die wissenschaftlichen Modelle erarbeitet, um IOTA 2.0 zu realisieren. Im DevNet 2.0 wurden diese Entwicklungen Stück für Stück umgesetzt und veröffentlicht.
An welchen Themen und Projekten arbeitet ihr darüber hinaus im Moment?
Digitale Assets sind ein großes Thema um bürokratische Prozesse zu verschlanken. Ein “Digital Asset”, oder auch NFT, ist ein eindeutiges digital existierendes Besitz- oder Eigentum, welches auch an die reale Welt geknüpft sein kann. Es kann reguliert oder frei, je nach Szenario, weitergereicht werden und nur der aktuelle Besitzer hat die digitalen Schlüssel dies zu tun. Damit können neue Modelle für Investoren geschaffen werden, beispielsweise ein Gebäude oder Gemälde digital in eine Million virtuelle Anteile aufteilen, die dann individuell verkauft werden. Damit ist es sehr einfach möglich, immobile oder illiquide Werte schnell und einfach digital zu erwerben und somit auch in andere Asset-Klassen einer breiteren Masse an Käufern oder Anlegern zugänglich zu machen. Da alles digitalisiert ist, werden keine aufwendigen Papierprozesse oder ggf. teure Mittelsmänner benötigt.
IOTA ist ein öffentliches Netzwerk, was im Blockchain/DLT Bereich die Königsdisziplin darstellt. Das IOTA Netzwerk muss sich nun ohne zentrale Sicherung gegen Angriffe und Manipulation behaupten. Wir sind zuversichtlich, dass dies funktionieren wird, prüfen aber deshalb alle Hypothesen umfangreich. Mit IOTA 2.0 wird dann ein weltweit einmaliges Datennetzwerk existieren, dass gebührenfrei und hochskalierbar von jedem nutzbar ist, um die weltweite Automatisierung durch sicheren Daten- und Zahlungsaustausch neu zu definieren.
Kryptowährungen erfreuen sich auch bei einer breiteren Öffentlichkeit inzwischen zunehmender Aufmerksamkeit. Auch der IOTA Preis ist auf Jahressicht deutlich gestiegen. Worauf führst du das höhere Interesse zurück?
In der Kryptoszene gibt es alle paar Jahre einen “Bull Run”, in dem alle Währungen stark steigen. Der letzte Bull Run fand bis ca. Anfang 2018 statt. Generell ist der Cryptobereich stark Pay-to-play geprägt, um Tokenpreise z.B. durch Influencer nach oben zu treiben. Der Höhepunkt war wohl Elon Musks Dogecoin Tweets, eine Kryptowährung die als Parodie des Bitcoins veröffentlicht wurde und an der seit Jahren keine Entwicklungen stattfanden. Wir haben uns zum einen immer von Pay-to-Play distanziert und zum anderen haben wir als gemeinnützige deutsche Stiftung auch gar nicht die Möglichkeit, da dies unserer Stiftungsordnung widerspricht. Deshalb freuen wir uns umso mehr über das enorme Interesse aus der Industrie. Mit den kommenden Smart Contracts wird die EVM (Ethereum Virtual Machine) direkt mit IOTA nutzbar sein, so dass Decentralized Finance (DeFi) Projekte ohne große Modifikation nahezu 1:1 auf IOTA laufen werden – nahezu ohne Gebühren, höherer Performance und ohne Energieverschwendung. Ich erwarte dass gerade viele DeFi Projekte auf IOTA wechseln werden. Niemand möchte 3 bis 300 Dollar für einen Token Swap bezahlen, wenn es nahezu kostenlos geht.
Im Zuge der Berichterstattung zum Thema Kryptowährungen wird auch immer wieder auf das Thema Nachhaltigkeit hingewiesen. So verbraucht bspw. der Bitcoin bzw. die dahinterstehenden Serverfarmen soviel Energie wie die Niederlande. IOTA hingegen hat sich als umweltfreundliche Alternative etabliert. Die IOTA-Stiftung hat Anfang des Jahres Nachhaltigkeit als zentrales Ziel erklärt. Wie kann IOTA bei der Einhaltung der Klimaziele und nachhaltigen Umweltschutz unterstützen?
Bei Bitcoin muss ein aufwendiges Rechenrätsel gelöst werden, wer dies zuerst schafft erhält die Belohnung für diesen “Block”, alle anderen haben umsonst gerechnet. Wer statistisch die größten Rechenkapazitäten hat, gewinnt statistisch öfter, was dazu führt, dass sich der Energieverbrauch weiter erhöht, das sogenannte “Mining Race”. Mit IOTA zeigen wir, dass dies intelligenter geht. Wir setzen auf ein intelligentes neues Technologiekonzept, bei welchem die Rolle des “Miners” mit der Rolle des Nutzers des Netzwerk kombiniert wird und niemand unnötig, sondern zielgerichtet rechnet und vorangegangene Transaktionen anderer Benutzer überprüft. IOTA ist auch ein Stück weit altruistisch: je stärker ich das Netzwerk nutze, desto mehr trage ich zu diesem bei.
IOTA selbst ist eine sehr grüne Technologie, was ein immer wichtigeres Entscheidungskriterium für Organisationen wird. Diversität sowie Social- und Environmental Impact sind tief in der DNA von IOTA verwurzelt und in nahezu jedem Projekt zu finden. In der Zusammenarbeit mit ClimateCHECK wird demonstriert wie eine CO2 Erfassung direkt nahe des Sensors manipulationssicher stattfinden kann. Bis dato ein Novum. Kurz darauf erschien die Meldung auf Bloomberg, dass Saudi Aramco mehr als 50% der CO2 Bilanzen modifiziert hat. Zur Einhaltung der Klimaziele ist eine unveränderbare Dokumentation der Emissionen möglichst nahe der Quellen äußerst wichtig. Da IOTA bereits auf immer mehr embedded Systemen lauffähig ist und für das IoT konzipiert wurde, ist eine Integration in die Sensorik und damit die manipulationssichere Erfassung der Werte sehr einfach möglich.
Welche aktuellen Herausforderungen siehst du für IOTA bzw. die IOTA Foundation?
Mit IOTA 2.0 legen wir die Grundlage für eine neue Art der IT-Infrastruktur für globale Kommunikation und Automatisierung. Wir sind gerade dabei die Frameworks für Digital Assets, Digitale Identitäten und Smart Contracts zu entwickeln. Gerade Digital Assets bieten in Verbindung mit den Smart Contracts dann jedem die Möglichkeit, eigene Tokens auf dem IOTA Netzwerk mit wenigen Klicks zu erstellen und regulierte Papierprozesse kostengünstig zu ersetzen. Die aktuelle Herausforderung ist daher klar: IOTA 2.0 im Mainnet zu etablieren und die darauf aufsetzenden Frameworks fertig zu stellen. Parallel nehmen wir erste Arbeiten zu IOTA 3.0 in Angriff, um die Transaktionsanzahl im Netzwerk auf Millionen Transaktionen pro Sekunde stark zu erhöhen. Der Fachbegriff ist “Sharding” und die größte Limitierung für blockchain basierte Netzwerke. Es gibt einige Ansätze dieser Netzwerke sich beispielsweise auf 64 oder 128 “Shards” aufzuteilen, was bei weitem nicht reichen wird. Da wir keinen veralteten Blockchain Unterbau haben, umgehen wir mit IOTA viele dieser Limitierungen direkt. Wir können so weitaus höher skalieren um dem weltweiten Bedarf gerecht zu werden.
Vielen Dank für das Interview.
Weitere Informationen zur IOTA Foundation gibt es hier:
Twitter: @iota | #IOTALinkedIn: @IOTAFoundationInstagram: @IOTAFoundationFacebook: @TheIOTAFoundation
Ein Kommentar
klingt ja in der Theorie alles einmal mehr super-rosig bei Iota, während in der Praxis die meisten Exchanges selbst rund drei Monate (!) nach „Chrysalis“ immer noch nicht dazu in der Lage sind, dieses Update bei sich umzusetzen/zum laufen zu bringen. Ernüchternd imo.