In unserer Serie über Frauen in der FinTech- und Digitalbranche möchten wir euch dieses Mal Miriam Wohlfarth, Geschäftsführerin und Mitgründerin vom Zahlungsdienstleister RatePAY, näher vorstellen.
Hallo Miriam, was beinhaltet Dein Beruf? Was sind Deine Aufgaben?
Ich bin Geschäftsführerin und Mitgründerin von RatePAY, einem Zahlungsdienstleister, der Onlinehändlern diverse Payment-Lösungen mit Zahlungsgarantie anbietet, zum Beispiel für Ratenzahlungen, Rechnungskauf oder Lastschriftverfahren. 2009 habe ich das Unternehmen mit zwei Mitstreitern gegründet. Wir haben damals ganz klein angefangen, heute sind wir 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und haben seit 2016 eine BaFin-Lizenz als Zahlungsdienstleister. Meine Aufgabe ist es nun, zusammen mit meinem Team sicherzustellen, dass wir uns in diesem dynamischen Umfeld laufend weiterentwickeln, um auch in den kommenden Jahren weiter wachsen zu können. Das beinhaltet etwa die Bereiche Zahlungsverkehr und Künstliche Intelligenz, hier gehören wir zu den führenden Anbietern in Deutschland.
Daneben bin ich Gesellschafterin bei Payment&Banking und bei den Startupteens. Außerdem engagiere ich mich in Branchen-Netzwerken sowie für die Hacker School. Die Hacker School soll Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren dazu animieren, sich auf spielerische Weise mit Technologie zu beschäftigen, coden zu lernen und in die IT reinzuschnuppern. Die Initiative ist eine Herzensangelegenheit für mich, ich unterstütze sie seit geraumer Zeit sowohl privat als auch mit RatePAY.
Wie hast du den Weg in die FinTech-Branche gefunden?
Das ist tatsächlich schon 20 Jahre her. Nach meiner Berufsausbildung als Reisekauffrau kam ich durch einen Freund das erste Mal mit Start-ups in Berührung und fing 2000 bei Bibit Global Payment Services an, als absolute Quereinsteigerin. Das war Liebe auf den ersten Blick und ich war sofort fasziniert von dieser Start-up-Welt und dem Thema digitales Bezahlen. Das war damals noch alles sehr neu und wir sind sehr schnell gewachsen.
2008 wechselte ich dann zum belgischen Anbieter Ogone. Doch der Gedanke, selbst ein Start-up zu gründen, hat mich nicht losgelassen. Ein Jahr später wagte ich dann den Schritt und gründete RatePAY. Heute bin ich immer noch mit Herz und Seele dabei, weil es großen Spaß macht und ein wichtiger Teil meines Lebens ist. Und ich habe einfach ein sehr großes Interesse an der Payment-Branche und an den Entwicklungen, da bin ich noch genau so begeistert wie damals, als ich angefangen habe.
Was fasziniert dich so an der FinTech-Branche?
Das Zusammenspiel zwischen Finanzen und Technologie ist sehr spannend, speziell im Payment-Bereich. Generell fasziniert mich an der FinTech-Branche, dass wir immer von Anfang an dabei sind, wenn neue Dienstleistungen oder Technologien entstehen. Wir kriegen so oft schon frühzeitig Einblicke in die Themen der Zukunft, sind sozusagen immer am Puls der Trends. Das treibt mich immer wieder dazu an, mich umzuschauen und mit völlig neuen Entwicklungen zu beschäftigen.
Und was nervt?
Manchmal die Regulatorik. Zumindest immer dann, wenn man das Gefühl hat, dass regulatorische Bestimmungen die Kreativität einschränken. Klar sind diese Bestimmungen nicht per se schlecht. Im Gegenteil, viele davon sind natürlich notwendig. Und dennoch, in Deutschland ist die Regulatorik mitunter besonders rigide und hindert uns manchmal, freier zu denken. Da haben es FinTechs in den USA und Asien einfacher.
Ist es wichtig, dass mehr Frauen in der FinTech-Szene Fuß fassen?
Ja, auf jeden Fall! Ich halte Diversität sowohl in der FinTech-Branche als auch darüber hinaus für sehr wichtig. Denn, um nur ein Beispiel zu nennen, Frauen denken Produkte anders als Männer. Entsprechend müssen diese auch von Frauen mitentwickelt werden.
Dasselbe gilt für die Teamführung, da bin ich überzeugt, dass die Zusammenarbeit besser funktioniert, wenn die Teams gemischt sind. In meiner Erfahrung führt das zu einer besseren Stimmung in den Teams und zu einer insgesamt konstruktiveren Arbeitsatmosphäre. Darauf legen wir auch bei RatePAY wert, der Frauenanteil liegt sowohl im Unternehmen als auch auf Führungsebene bei rund 50 Prozent.
Befürwortest du vor diesem Hintergrund Quotenregelungen?
Da bin ich grundsätzlich skeptisch. Die wenigsten Frauen wollen eine Quotenfrau sein. Dennoch glaube ich, dass Unternehmen, die sich um Diversität bemühen, belohnt werden sollten. Die Männer stehen hier auch in der Pflicht, sie sollten darauf achten, dass Frauen befördert und in die Öffentlichkeit gebracht werden, zum Beispiel als Speakerinnen auf Experten-Panels. Von Unternehmen erwarte ich, dass sie hier Haltung zeigen.
In den letzten Jahren hat sich vieles positiv verändert. Nicht zuletzt dank der sozialen Medien, die viel Awareness für das Thema geschaffen haben. Heute hinterfragen wir frauenfeindliche Entscheidungen von Unternehmen viel kritischer. Entsprechend stellen sich heute auch mehr Unternehmen die Frage, was sie ändern müssen.
Was muss passieren, damit in den kommenden Jahren mehr Frauen den Weg in FinTech-Unternehmen finden oder selbst Start-ups gründen?
Das fängt bei der Bildung an. Ich halte es für enorm wichtig, dass wir Mädchen schon früh Berufs- und Rollenbilder vermitteln, die sie auch für technische Berufe sowie Management-Positionen begeistern. Berufe im digitalen Umfeld sind Zukunftsberufe, nicht nur was die Themen, sondern oft auch, was die Arbeitsmodelle angeht. Tech-Berufe bieten oft mehr Flexibilität, das kommt Frauen eigentlich entgegen, und das müssen wir noch stärker hervorheben.
Doch leider ist digitale Bildung in den Schulen in Deutschland völlig unterrepräsentiert. Neue Berufsbilder und Jobs in der Digital-Branche werden noch überhaupt nicht vermittelt. Wenn ich mir etwa anschaue, was meine Tochter in der Schule lernt, macht mich das ganz fertig. Das ist ein Grund, warum ich das Thema digitale Bildung mit der Hacker School vorantreiben will. Denn hier stehen wir als Gesellschaft vor einer riesigen Aufgabe. Bei Jobs in der IT- und Digital-Branche fehlen uns schon heute Millionen von Fachkräften. Eine Entwicklung, die sich in Zukunft noch verstärken wird, wenn wir nicht gegensteuern. Umso wichtiger ist es, dass wir Frauen für digitale Berufe begeistern können.
Welche Tipps gibst du Gründerinnen oder Berufseinsteigerinnen? Gibt es typische Studienfächer oder Karrierewege?
Den einen typischen Weg gibt es nicht. Wer sich entscheidet, ein Start-up zu gründen, braucht erstmal gute Nerven und Durchhaltevermögen. Das Wichtigste ist jedoch Leidenschaft und Begeisterung für ein Thema. Bringt man das mit, ist es auch viel einfacher, Durchhaltevermögen zu zeigen, wenn es mal schwieriger wird. Heute gibt es viele gute Netzwerke, die Gründerinnen unterstützen. Diese sind enorm wichtig; für Gründerinnen ist es das A und O, gute Netzwerke aufzubauen.
Darüber hinaus brauchen Gründerinnen schlicht den Mut, Dinge auszuprobieren und es auch mal in Kauf zu nehmen, damit zu scheitern. Leute, die mal gegründet haben und damit gescheitert sind, sind mir viel lieber also solche, die immer nur dasselbe gemacht haben. Hier sollten wir als Gesellschaft in Deutschland auch noch besser lernen, Scheitern nicht so negativ zu konnotieren.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Einerseits wünsche ich mir, dass wir mit RatePAY weiter so erfolgreich sind. Andererseits ist mir das Thema digitale Bildung sehr wichtig. Hier möchte ich mich in Zukunft noch stärker engagieren. Mich treibt die Frage um, wie wir es erreichen können, dass wir mehr junge Leute für Jobs in der IT- und Digital-Branche begeistern. Da hängt so viel dran, nicht zuletzt die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.