Gabriel Rath ist Musiker, Blogger (www.gabrielrath.com) und arbeitet im Bereich Marketing und Kommunikation bei der OstseeSparkasse Rostock. Im Interview erläutert er, wie Finanzinstitute von der Digitalisierung profitieren können, wie wichtig es ist, die eigenen Mitarbeiter abzuholen und warum sich die Sparkasse in Zukunft als regionaler Anlaufpunkt für unterschiedliche Themen positionieren sollte.
Gabriel, du bist Vater von drei Mädchen, Blogger, Speaker, Musiker und arbeitest hauptberuflich als Marketing- und Kommunikationsmanager bei der OstseeSparkasse Rostock. Wie bekommst Du das alles unter einen Hut?
Diese Frage wird mir tatsächlich öfter gestellt. Einerseits wirkt das möglicherweise so, da ich darüber schreibe auf sozialen Netzwerken und meinem Blog. Zum anderen probiere ich tatsächlich gerne neue Dinge aus und ziehe aus diesen Dingen Energie, weil ich sie gern mache. Ich kann daher nur jedem empfehlen, sich selbst zu fragen, was man wirklich wirklich will. Dazu kommt, dass ich mir abgewöhnt habe, Zeit zu verplempern durch Fernsehen oder Gaming. Ich stehe dann lieber früh auf, gehe laufen, lese ein Buch oder schreibe an einem Song. Klingt irgendwie spießig, aber vielleicht ist das so, wenn man in wenigen Monaten 40 Jahre alt wird 😉 Meine Ehefrau und ich haben uns außerdem ziemlich gut eingespielt, so dass wir es auch mit drei Töchtern immer wieder so organisieren, dass jeder auch nochmal Dinge allein machen kann.
Wie hat sich Deine Arbeit in den letzten Jahren vor dem Hintergrund der Digitalisierung verändert?
Ich bin es eigentlich schon seit meiner ersten Jobstation als Volontär bei der Hamburger Werbeagentur STEIN Promotions gewohnt, mit digitalen Tools und Workflows zu arbeiten. Später war ich im Social Media- und Online PR-Bereich bei der Agentur Scholz & Friends in der Hamburger Speicherstadt und konnte die Digitalisierung der Kommunikation nicht nur sehen, sondern sogar mitgestalten. Als ich Ende 2011 wieder in meine Heimat nach Rostock zurückzog musste ich allerdings verstehen, dass einige dieser Neuerungen in meinem geliebten Mecklenburg-Vorpommern noch gar nicht angekommen waren. Mittlerweile ist Digitalisierung natürlich ein Riesenthema für nahezu alle Unternehmen, sei es eine Sparkasse oder auch ein Dachbauhandel, den mein Onkel in Rostock führt. Sogar er berichtete mir kürzlich von neuen Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz in der Lagerlogistik.
Welche Chancen ergeben sich durch die Digitalisierung für Unternehmen und insbesondere für Finanzinstitute?
Ich verstehe Digitalisierung grundsätzlich als Vernetzung und die kann man aktiv vorantreiben und nutzen. Wir können uns zum Beispiel mit unserem Social Intranet „OSPA Connect“ innerhalb der Sparkasse sehr gut vernetzen, wir können aber auch über digitale Kundenportale und Social Media sehr gut in neue Connections mit unseren Kunden kommen, die natürlich heute ganz andere Ansprüche haben. Interessanterweise bedeutet Digitalisierung für uns als Sparkasse auch nicht, Filialen zu schließen, sondern sie neu zu erfinden, das Angebot eines persönlichen Beraters, dem man vertrauen kann, mit hilfreichen digitalen Tools zu ergänzen.
Inwiefern müssen sich Strukturen und die Art und Weise der Zusammenarbeit ändern?
Jahrzehntelang funktionierten viele Unternehmen extrem hierarchisch. Heute entwickelt sich die Welt allerdings so schnell, dass das Command & Control-Prinzip nicht mehr funktioniert, da es a) zu viel Zeit kostet und b) die Mitarbeiter als mündige Ideengeber gebraucht werden und nicht mehr als Befehlsausführer mit Scheuklappen. Tatsächlich sind Unternehmen, und dazu gehören auch Banken, aber auf jede neue Idee ihrer Mitarbeiter angewiesen. Insofern muss die Entwicklung heute von einer Pyramide eher zu einer vernetzten Wolke gehen, in der man interdisziplinär kollaboriert. Gestern dachte man in Silos, heute muss man in gemeinsamen Projekten denken und die Leute zusammenholen, die divers und kreativ an neuen Lösungen arbeiten können. Das ist natürlich auf vielen Ebenen ein Kulturwandel, auch für die Führungskräfte.
Wie wichtig ist es, die eigenen Mitarbeiter auf dem Weg in die digitale Zukunft mitzunehmen?
Ich habe neulich einen guten Satz gelesen: „Wen man Mitarbeiter mitnehmen will fühlen sie sich auch mitgenommen.“ Ich glaube, dass Change heute nicht mehr top down verordnet werden kann. Vielmehr sollte man Netzwerke aus der Mitte des Unternehmens heraus aufbauen, die digitale Themen verstehen und als Multiplikator in die Teams tragen. Wir arbeiten zum Beispiel mit unseren so genannten Connectoren, die als Vertreter aller Abteilungen regelmäßig im Austausch darüber sind, wie wir unser „internes Facebook“ kulturell etablieren können, welche Hürden es gibt und wie wir die digitale Reife der Kollegen erhöhen können. Dazu stimmen wir uns natürlich mit den Entscheidern ab, denn am Ende bleibt die verbindliche Richtungsvorgabe von oben, also dem Vorstand, entscheidend. The Medium is the Message, würde man neudeutsch sagen.
In den Medien wird häufig darüber berichtet, dass Banken aus Kostengründen Mitarbeiter entlassen, Filialen schließen müssen bzw. Fusionen durchführen. Ihr bei der OstseeSparkasse geht einen anderen Weg. Kannst Du uns einen Einblick in Euren Ansatz und das Konzept dahinter geben?
Man kann sich zu dem Thema wunderbar die Musikindustrie ansehen. Viele Plattenfirmen haben die Transformation komplett verschlafen und stur weiterhin CD´s produziert bis sie irgendwann festgestellt haben, dass der Kunde Musik digital konsumieren möchte, also entließ man Mitarbeiter.
Wir beobachten die Entwicklung des Finanzmarktes und der Anforderungen der Kunden sehr genau und stellen fest, dass es Sinn macht, mutig nach vorne zu gehen, innovativ zu sein und zu investieren. Wir haben also sehr früh „Streaming“ in unser Angebot aufgenommen, wenn man in dem Bild bleiben will, bieten aber außerdem unsere Filialen an, weil wir sehen, dass es hier nach wie vor eine Nachfrage nach „CD´s“ gibt. Als wir in diesem Jahr 25-jähriges Jubiläum der OstseeSparkasse Rostock feierten, sagte unser Vorstandsvorsitzender Frank Berg sinngemäß: Das was N26 & Co digital tun, dass müssen wir auch alles anbieten. Es gibt ja mit der S-App, der besten Finanzapp laut Stiftung Warentest, dem Online-Banking und dem Online Konto all diese Angebote der Sparkasse. Wir haben aber on top immer noch den Menschen als Experten und Partner – und das ist unser großes Asset, das wir bewahren werden. Dabei erfinden wir Filialen neu, modernisieren, bauen teilweise sogar neu, lassen humanoide Roboter die Kunden begrüßen und veranstalten Events. Das kommt extrem gut an. Unser Motto ist also eher: Volle Kraft voraus! Wir glauben, Rückzug ist keine gute Idee.
Ebenfalls oft diskutiert wird die Bedrohung etablierter Finanzinstitute durch neue Anbieter am Markt wie bspw. Neo-Challenger-Banken oder auch große Technologiekonzerne wie Amazon, Google oder Facebook. Wie groß schätzt du die Bedrohungslage ein und wie können sich Banken und Sparkassen in einem immer härter werdenden Wettbewerb langfristig behaupten?
Ich glaube auch, dass die GAFAs, also Google, Apple, Facebook und Amazon unsere wahren Konkurrenten sein werden. Am Ende geht es um Plattformen und die Frage: Wer kann den Datenberg, auf dem er sitzt, bestenfalls auswerten und im Sinne des Kunden einsetzen. Big Data und KI werden eine große Rolle spielen. Zeitgleich lieben die Deutschen das Thema Sicherheit und da sehen wir als Sparkasse, die immer noch einen großen Vertrauensvorsprung hat, eine große Chance. Bei uns kann der Kunde eben davon ausgehen, dass seine Kontodaten sicher sind, weil sie auf deutschen Servern liegen. Wer bei PayPal bezahlt darf sich hingegen nicht wundern 5 Minuten später drei neue Newsletter zu erhalten.
Wie sieht Deiner Meinung nach die Sparkasse der Zukunft aus bzw. wodurch zeichnet Sie sich aus?
Ich bin mir sicher, dass Regionalität als USP weiterhin eine große Rolle spielen wird. Die Sparkasse der Zukunft muss die „Hood“, wie man im Rap sagt, fest im Fokus haben und die Vernetzung mit regionalen Partnern und Kunden auch besser einsetzen. Warum sollte eine Sparkasse nicht zukünftig als regionaler Anlaufpunkt für verschiedene Themen funktionieren. Der Kunde denkt zum Beispiel: „Ich brauche eine Wohnung, die versichert werden muss, gleichzeitig suche ich Handwerker, die mir helfen können und abends würde ich gern zum Spiel des lokalen Basketballvereins gehen.“ Bei allen diesen Fragen können wir doch helfen. Wenn wir es also schaffen als regionale Plattform für den Kunden da zu sein und auch bankfremde Probleme zu lösen, mit Hilfe unserer Netzwerke, dann werden wir relevant bleiben. Digitalisierung bedeutet auch, dass der Kunde einfache Lösungen möchte von jemandem, dem er vertraut. Niemand möchte heute mehr stundenlang googlen, dann die günstigste Lösung kaufen und am Ende enttäuscht sein. Die Kunden sind bereit für Qualität zu zahlen, wenn es ihr Leben vereinfacht. Da liegt aus meiner Sicht eine große Chance. Und die wollen wir nutzen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Bei Interesse kannst du Gabriel auch bei Twitter folgen: @gabrealness