Timo Schwalm ist bei der Star Finanz Bereichsleiter für das Thema Firmenkunden. Im folgenden Interview wirft er u.a. einen Blick auf den Bedarf digitaler Lösungen für Deutschlands Unternehmen, die Bedeutung von Near- und Non-Banking-Angeboten sowie die Notwendigkeit von Nutzerfeedbacks für eine zielgerichtete Produktentwicklung.
Herr Schwalm, warum ist es so wichtig, dass Banken und Sparkassen digitale Angebote für ihre Firmenkunden schaffen?
Timo Schwalm: Firmenkunden sind längst auf dem Weg in die digitale Zukunft. Als ihre Partner bei Banken und Sparkassen müssen wir sie auf diesem Weg begleiten. Gleichzeitig drängen immer mehr Wettbewerber auf den Markt, die den Firmenkunden digitale Bankinglösungen anbieten – vom hoch spezialisierten FinTech, das Teilbereiche wie Zahlungsabwicklung oder Kreditfinanzierung übernimmt, bis zu den großen Tech-Konzern wie Amazon oder Google, die Finanzdienstleistungen zunehmend in ihren Plattform-Lösungen integrieren.
Abseits der Kundenerwartung bietet die Digitalisierung auch für die Banken und Sparkassen viele Chancen: Digitale Prozesse sind die Grundlage für Effizienzsteigerung, sie entlasten die Berater und schaffen den Freiraum, damit Menschen sich wieder um Menschen kümmern können. Gerade die Sparkassen haben mit der Nähe und dem persönlichen Kontakt zu ihren Kunden ein wichtiges Asset. Wenn es also gelingt, das mit guten digitalen Prozessen zu unterfüttern, bleibt die Sparkassen-Finanzgruppe für ihre Kunden auch in Zukunft erste Wahl.
Welche digitalen Lösungen und Dienstleistungen wünschen sich die Unternehmen?
Timo Schwalm: Aus der Umfrage wissen wir, dass unseren Kunden vor allem die Themen Kredit, Cash-Management, Rechnungsservice und Vertragsverwaltung wichtig sind. Genauso wichtig wie konkrete Produkte ist auch der Wunsch nach effizienten und vor allem fallabschließenden Prozessen.
Es geht längst nicht mehr darum, nur Informationen oder Antragstrecken digital verfügbar zu machen, wenn dann die rechtverbindliche Unterschrift doch wieder per Hand geleistet oder der Vertrag ausgedruckt und per Post an die Bank geschickt werden muss. Heute wollen die Unternehmen Lösungen, die von der Beratung bis zur Internet-Filiale kanalübergreifend funktionieren, die sich von der Information bis zur Unterschrift digital abschließen lassen und die am besten auch noch mobil per Smartphone und Tablett verfügbar sind.
Welchen Einfluss hatte Corona auf diese Entwicklung?
Timo Schwalm: Corona hat vor allem die Kommunikation zwischen Firmenkunden und den Banken und Sparkassen spürbar verändert, weg von persönlichen Treffen und hin zur Beratung über Telefon und Videokonferenzen. Diese Entwicklung ist Teil der Digitalisierung von Prozessen, die bei Firmenkunden derzeit klar im Fokus stehen. Um mobiles Arbeiten möglich zu machen oder zu verbessern, haben die Kunden in den vergangenen zwei Jahren stark in technische Infrastruktur wie Laptops oder Videokonferenz- und Projektmanagement-Software investiert. Fast die Hälfte der Unternehmen hat hier große Fortschritte gemacht und will dies auch in Zukunft beibehalten.
In anderen Bereichen sehen wir bisher weniger vergleichbare Beschleunigung durch die Covid- Pandemie, zum Beispiel bei der Digitalisierung der Buchhaltung. Das liegt auch daran, dass die Kosten für die Anschaffung und Einführung neuer Software in diesen Bereichen vergleichsweise hoch sind. Unternehmen, die bereits über eine ERP-Software verfügen, setzen hier eher auf inkrementelle Weiterentwicklung. Aber auch hier gibt es einen deutlich erkennbaren Push in Richtung von Web-basierten Anwendungen und Cloud-Lösungen, die ein mobiles Arbeiten möglich machen.
Welche Rolle spielen Dienstleistungen, die über das klassische Banking-Angebot hinausgehen?
Timo Schwalm: Die Integration von neuen Angeboten ist ganz klar das Feld mit dem größten Potenzial für Innovationen. Auf der einen Seite wird das Thema Embedded Finance für Finanzinstitute eine ganz neue Dynamik in den Markt bringen. Dabei geht es darum, Finanzdienstleistungen sinnvoll in die Abläufe von Drittfirmen zu integrieren, wie zum Beispiel einen Kredit zur Finanzierung eines Fahrradkaufs im Online-Shop. Embedded Finance bietet so die Chancen, die eigenen Dienstleistungen über zusätzliche Touchpoints verfügbar zu machen.
Gleichzeitig birgt das natürlich auch das Risiko, den direkten Kontakt mit dem Kunden aus der Hand zu geben.
Daher wird es für Banken und Sparkassen immer wichtiger, selbst in Plattformen zu denken. Das bedeutet, Firmenkunden über ein zentrales Portal nicht nur klassisches Banking, sondern auch Zugriff auf eine Fülle sogenannter Near- und Non-Banking-Angeboten zu ermöglichen. Das können finanznahe Angebote aus dem eigenen Verbund sein wie Versicherungen, Leasing oder Fuhrpark- Management. Oder auch eine kuratierte Auswahl erstklassiger Drittfirmen, die beispielsweise Buchhaltungssoftware oder eine digitale Reisekostenabrechnung anbieten. Hier erwarten wir in den kommenden Jahren eine sehr spannende Entwicklung.
Welche Bedeutung haben mobile Anwendungen für Smartphone und Tablet für Firmenkunden?
Timo Schwalm: Mobile Anwendungen sind schon jetzt sehr wichtig. Der Anspruch bei der Unternehmensführung steigt, sich jederzeit auch von unterwegs einen aktuellen Überblick über wichtige Kennziffern der Unternehmensfinanzen zu verschaffen oder Bankdienstleistungen in Auftrag zu geben.
In diesem Bereich variiert der Komplexitätsgrad der konkreten Anforderungen jedoch stark. Je nach Branche, Größe und Firmenstruktur kann es vom einfachen Liquiditätsmanagement über die Abbildung komplexer Multikonten- und Kreditportfolios bis hin zu internationalen Handelsfinanzierungen gehen. Firmenkunden stehen für viele dieser Anforderungen bereits gute Lösungen bereit, zum Beispiel die App Sparkasse Business, die Electronic-Banking-Software SFirm, StarMoney Business oder das S-Finanzcockpit, eine App, mit der man jederzeit mobil auf wichtige Finanzkennzahlen zugreifen und Zahlungen freigeben kann.
Welche Rolle spielen Nutzerfeedbacks, Usability und Design heute bei der Entwicklung von Produkten und Lösungen?
Timo Schwalm: Intuitive Bedienbarkeit und eine gute Nutzerführung sind in ihrer Bedeutung kaum zu unterschätzen. Wir alle sind als private Konsumenten längst erstklassige digitale Produkte und Prozesse gewöhnt, die nicht nur effizient und einfach sind, sondern auch Spaß machen. Das ist der Maßstab, an dem sich auch die Angebote an Firmenkunden messen müssen.
Eine professionelle Softwareentwicklung sollte daher schon in der Konzeptionsphase und im Entwicklungsprozess auf ein strukturiertes Nutzerfeedback setzen und nicht nur neue
Funktionalitäten, sondern auch das konkrete Interface ausführlich mit Anwendern verproben. Das lässt sich zum Beispiel mit Voting im Produkt selbst, mit Klickdummys oder im Testlabor mit ausgewählten Nutzern testen. Firmenkunden-Anwendungen werden hier immer besser, aber es gibt weiter Aufholpotenzial zu den Best-in-Class-Produkten aus dem Privatkundenbereich.
Wagen wir einen Blick voraus: Wie gestaltet sich das Zusammenspiel zwischen Angeboten von Banken/Sparkassen und FinTechs in Zukunft. Wird es für die Kunden ein Entweder- Oder? Oder eher ein Sowohl-Als-Auch?
Timo Schwalm: Im Bereich der Firmenkunden würde ich auf dem aktuellen Stand eher von einem Sowohl-als-Auch ausgehen. Natürlich haben wir in den letzten Jahren immer wieder junge FinTechs gesehen, die sich hoch spezialisierte Bereiche aus dem Allfinanzangebot von Banken und Sparkassen herausgepickt haben, in denen sie erstklassige digitale Lösungen anbieten. Aber solche Insellösungen decken nie alle Bedarfe ab, die Firmenkunden im Banking haben. Selbst wenn sich einzelne disruptive Lösungen in der Nische durchsetzen, werden wir in der Breite eher noch mehr Miteinander von Banken, Sparkassen und FinTechs sehen.
Dazu kommt, dass den meisten Newcomern auch der gewachsene Kontakt, das Verständnis für individuelle Geschäftsmodelle und auch das Vertrauen der Kunden fehlen. Gerade für Firmenkunden sind Verlässlichkeit und eine langfristige Partnerschaft wichtig für die Geschäftsbeziehung. Aus unserer Sicht ist das in den kommenden Jahren auch die größte Chance für die Sparkassen-Finanzgruppe: Herauszufinden, wie sich regionale Nähe sinnvoll digitalisieren lässt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview ist als erstes in der Broschüre „Digitaltrends“ der Star Finanz im November 2022 erschienen. Es beinhaltet zudem die Ergebnisse einer Umfrage zum Status der Digitalisierung im deutschen Mittelstand. Die Broschüre kann hier heruntergeladen werden.
Weitere Informationen zum Thema Digitalisierung im Firmenkundengeschäft gibt es hier