In unserer Serie über prägende Frauen in der FinTech- und Digitalbranche möchten wir euch dieses Mal Salome Preiswerk, Gründerin und Geschäftsführerin von Whitebox, näher vorstellen.
Hallo Salome, kannst Du Dich unseren Lesern kurz vorstellen, was beinhaltet Dein Beruf? Was sind Deine Aufgaben bei Whitebox?
Ich bin Gründerin und Geschäftsführerin von Whitebox, einem der führenden digitalen Vermögensverwalter der Republik. Mein Beruf ist sehr vielfältig, was mir als Generalistin zusagt. Ich kümmere mich primär um die Weiterentwicklung und Umsetzung unserer Wachstumsstrategie. Dazu gehört auch, die dafür notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen bereitzustellen. Außerdem entwickle ich unser Produkt- und Service-Angebot weiter.
Wie hast Du den Weg in die FinTech-Branche gefunden?
Vor Whitebox habe ich lange als Unternehmensberaterin für Banken gearbeitet. In dieser Zeit wurde das Klagen der Bankvorstände angesichts steigender Kosten und Regulierung immer lauter. Gleichzeitig erschienen die ersten „FinTechs“ am – wie so häufig – angelsächsischen Horizont. Der sich daraus evident ergebenden Auseinandersetzung mit der Digitalisierung gewisser Geschäftsbereiche verweigerten sich allerdings damals die meisten. Und so dachten sich meine Geschäftspartnerin und ich: Wenn nicht Ihr, dann wir. Um die Erfahrung aus der Beratung bin ich immer noch sehr froh, weil der Auf- und Ausbau von Whitebox in vielerlei Hinsicht nichts anderes ist als ein sehr langes, umfangreiches Projekt.
Was fasziniert Dich an der FinTech-Branche? Was nervt manchmal?
Etliche FinTechs bieten ihren Kunden einen Mehrwert gegenüber der klassischen, nicht-digitalen Welt, indem sie Produkte oder Dienstleistungen besser, schneller, einfacher, günstiger oder ansprechender anbieten – oder gleich eine Kombination daraus. So ist es auch bei Whitebox: Wir haben im Grunde keine „echte“ Innovation auf den Markt gebracht, sondern bestehende Leistungen optimiert: Wir haben hochwertige Vermögensverwaltung durch digitale Kanäle und Standardisierung kostengünstiger gestaltet – und so einer breiteren Masse zugänglich gemacht. Das ist für mich schon eine Art Faszination: Zu sehen, dass wir Bestehendes häufig noch besser machen können.
Nervig ist eigentlich wenig. Wenn ich mich festlegen müsste, dann vielleicht, dass das Gute für manche nicht gut genug zu sein scheint. Es reicht doch, wenn wir durch smarte Algorithmen den Menschen eine Top-Dienstleistung bieten. Warum müssen wir gleich so tun, als ob das alles noch KI im engeren Sinne wäre? Denn in den seltensten Fällen ist es das wirklich. Vermutlich will man vom Nimbus des Revolutionären profitieren. Doch gerade im risikoaversen Deutschland beschleicht mich das Gefühl, dass man sich mit dem revolutionären Touch nicht unbedingt einen Gefallen tut. Finanzdienstleistungen sind bereits per se oft erklärungsbedürftig, da muss man nicht noch KI drauf satteln.
Ist es wichtig, dass mehr Frauen in der FinTech-Szene Fuß fassen?
Ja, wie in vielen anderen Bereichen auch. Ich finde es vor allem wichtig, dass Frauen den Beruf ihrer Wahl ausüben und sich bei guten Leistungen auch in Führungspositionen entwickeln können. Unabhängig von gesellschaftlichen, finanziellen oder anderweitigen Hürden oder Vorbehalten. In der FinTech-Szene sind Frauen allerdings schon besonders spärlich, denn: Frauen sind in allen Teilbereichen – Fin, Tech und Unternehmertum – untervertreten. Dass in der Kombination aus allen drei Disziplinen wenig Frauen zu finden sind, ist also leider nur logisch.
Doch vielleicht können Frauen das als Chance begreifen: Die FinTech-Branche bietet die Möglichkeit, in drei männerdominierten Disziplinen Repräsentantin zu sein und dadurch mehr Frauen sowohl zu Technik- und Finanz- als auch unternehmerischen Themen zu motivieren. Ich selbst vernetze mich jedenfalls gerne mit anderen Frauen und hoffe, als eines der einzigen FinTechs mit einer weiblichen Doppelspitze auch anderen Frauen Mut zu machen, ihren Weg zu gehen. Und es tut sich durchaus etwas, man muss nur etwas genauer hin schauen: Auch im zweiten und dritten Glied vieler FinTechs finden sich coole und smarte Frauen, die ihren Weg selbstbewusst und mit viel Selbstverständlichkeit gehen.
Befürwortest Du vor diesem Hintergrund Quotenregelungen?
Da tue ich mich als Liberale noch immer schwer mit, komme als Realistin jedoch auch nicht umhin zu konstatieren, dass die Entwicklung unheimlich langsam vonstatten geht. Diversity – nicht nur in Sachen Frauen – sollte als Wettbewerbsvorteil verstanden werden. Denn dass diverse Teams auch bessere Resultate liefern, ist hinlänglich bekannt. Doch scheinbar genügen solche Erkenntnisse nicht. Scheinbar genügen die vielen guten Initiativen zu mehr Sichtbarkeit, weiblichen Vorbildern, Netzwerken, mehr Frauen in Aufsichtsgremien, mehr Frauen bei VCs, usw. nicht. Entweder man akzeptiert also, dass all diese Maßnahmen nur langsam fruchten und wir es eher mit einem Marathon denn einem Sprint zu tun haben, oder man erwägt in der Tat drastischere Maßnahmen. Im Minimum hat der Staat meines Erachtens dafür zu sorgen, dass jedem klar wird, dass das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf gleichsam ein Frauen- und Männerthema ist.
Was muss passieren, damit in den kommenden Jahren mehr Frauen wie Du den Weg in die FinTech-Branche finden?
Unweigerlich ist eine Gleichberechtigung auf politischer Ebene dafür Voraussetzung, es gibt allerdings auch eine Vielzahl weiterer Faktoren. wie die Durchlässigkeit von Karrierepfaden oder die bereits erwähnte gesteigerte „Weiblichkeit“ unter den Investoren. Denn ob man es wahrhaben möchte oder nicht: Viele Studien weisen nach, dass Frauen schlicht schwerer an Kapital für ihre Vorhaben kommen. Doch auch die Frauen selbst sind gefragt: Sie sollten sich nicht scheuen, sichtbar zu werden sowie bewusst und gezielt Netzwerke aufzubauen – mit anderen erfolgreichen Frauen, aber natürlich auch Männern! Ebenso wichtig ist es, dass Frauen ihren persönlichen Handlungsspielraum erkennen und dann auch nutzen.
Vielleicht spanne ich den Bogen jetzt etwas zu weit, doch: Seit ich Kinder habe, fällt mir auf, dass wir tatsächlich auch in der frühkindlichen Prägung ansetzen müssen. Die Berufe, die Kinder als erstes wahrnehmen, sind extrem geschlechtergeprägt, berühmte Protagonisten der Gegenwart und insbesondere der Geschichte sind fast durchgängig männlich (was sie ja leider auch zutrifft), usw. Und ich beobachte – obwohl ich ganz und gar nicht zu den militanten „Gleichmachern“ gehöre – mit Unmut, dass die tradierten Rollenbilder eher wieder gefördert als abgebaut werden. Zugegeben, ein „long shot“, doch wieso später mit viel Aufwand „umdenken“ statt gleich von Beginn weg „richtig“ spuren?
Welche Tipps kannst du Berufseinsteigerinnen mitgeben? Gibt es typische Studienfächer oder Karrierewege, die in die FinTech-Branche führen?
Sicherlich gibt es dafür klassische Karrierewege wie ein wirtschaftliches oder informationstechnologisches Studium. Es gibt aber definitiv auch Möglichkeiten für den Quereinstieg – dafür bin ich selbst das beste Beispiel: Ich habe Jura studiert, allerdings keinen einzigen Tag praktiziert. Auch wenn mein Jurastudium mir in manchen Bereichen heute durchaus nützlich ist, so ist es ganz sicher nicht die klassische Vorbereitung auf eine Karriere in der FinTech-Branche. Generell denke ich, dass das Studium für die spätere Laufbahn weniger wichtig ist als praktische Erfahrungen. Hier können junge Menschen durch Praktika oder Nebentätigkeiten schon sehr früh unterschiedliche Erfahrungen sammeln, Einblicke in verschiedene Tätigkeiten gewinnen – und durchaus auch schon ihr eigenes Profil schärfen.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Beruflich ist unser Plan, Whitebox als führenden digitalen Vermögensverwalter in Deutschland und darüber hinaus zu etablieren, um möglichst vielen Menschen Zugang zu hochwertiger Vermögensverwaltung – und damit die Chance auf finanzielle Freiheit und/oder Sicherheit zu ermöglichen.
Wie erholst Du Dich am liebsten vom beruflichen Alltag?
Ehrlich gesagt: Als Unternehmerin und zweifache Mutter ist mein Tag in der Regel sehr durchgeplant und voll. Innerhalb der Woche bleibt da wenig Raum für Erholung. Das einzige, das ich mir nicht nehmen lasse, ist das gemeinsame Kochen und Essen mit der Familie. Und auch an den Wochenenden nehme ich mir bewusst Zeit für meine Familie. Als ehemalige Leistungsvolleyballerin muss ich mich dafür heute mit 20 Minuten EMS-Training pro Woche begnügen. Und leider kommt unser Sozialleben noch immer viel zu kurz, was ich sehr bedaure. Doch ich will nicht klagen, denn: Ich liebe meine Arbeit. Das Projekt Whitebox ist neben meinen beiden Kindern im Grunde mein „drittes Baby“. Es ist eine große Herausforderung, macht mir aber auch sehr viel Freude, es aufwachsen zu sehen und seine Zukunft zu gestalten.
Vielen Dank für das Gespräch.
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