Digitalisierung

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Kaum eine technische Entwicklung verändert Wirtschaft und Gesellschaft so stark wie die Digitalisierung. Im ursprünglichen Sinne steht sie für die Umwandlung von analogen zu digitalen Daten: Von der Schallplatte zur CD, vom gesprochenen Wort zum getippten Chat, vom papierhaften Beleg im Aktenordner zur digitalen Ablage in der Cloud. Zu den Meilensteinen dieser technik-getriebenen Entwicklung gehören zum Beispiel der Versand der ersten E-Mail durch Ray Tomlinson im Jahr 1971, die Vorstellung des ersten Personal Computers von IBM 1981 und die kommerzielle Entwicklung des Internets zum Beginn der 1990er Jahre. Die Idee der jederzeit im Netz verfügbaren Information ist noch gar nicht so alt: 1993, also vor 25 Jahren, waren insgesamt erst 130 Webseiten online, im Jahr 2015 waren es bereits rund 863 Millionen.

Heute versteht man unter dem Schlagwort Digitalisierung vor allem die vielen neuen Möglichkeiten, die durch die Transformation in digitale Daten und durch deren Vernetzung überhaupt erst möglich geworden sind. Informieren, Konsumieren, Organisieren und Kontakt halten wird nicht nur einfacher, schneller, komfortabler und individueller. Die Digitalisierung ermöglicht auch völlig neue Geschäftsmodelle, deren disruptive Kraft ganze Branchen auf den Kopf stellt und etablierte Anbieter in Bedrängnis bringt. Im privaten Bereich zeigt sich diese Entwicklung zum Beispiel in der Form von Streaming-Diensten wie Netflix oder Spotify, Urlaubsbuchungen über Reiseplattformen wie Expedia oder AirBnB und das Bezahlen kleiner Beträge mit dem Smartphone, über Paypal oder Anwendungen wie Kwitt. 



Digitalisierung in Unternehmen

Auch im geschäftlichen Umfeld hat die Digitalisierung bereits zu erheblichen Veränderungen geführt. Hier ermöglicht die cloudbasierte Vernetzung von Daten eine schnellere und effizientere Steuerung von Unternehmensprozessen wie zum Beispiel der Produktentwicklung, Vertrieb, Lagerhaltung und Buchhaltung über Länder, Zeitzonen und Kontinente hinweg.

Einen weiteren Sprung machte die Digitalisierung zuletzt durch den Ausbau leistungsstarker Datenfunknetze und durch die Entwicklung mobiler Geräte für den Online-Zugriff: 2007 stellt Steve Jobs das revolutionäre iPhone vor, nur elf Jahre später nutzen allein in Deutschland bereits 57 Millionen Menschen ein Smartphone. Der nun mögliche mobile Zugriff auf das Internet ist ein weiterer Treiber radikaler Veränderungen: Inzwischen verwenden die Deutschen Smartphones und Tablets nicht nur zum Telefonieren, zur Produktrecherche und zum Einkaufen. Immer mehr Menschen erledigen auch ihre Bankgeschäfte heute mobil von unterwegs.

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Die erste Welle der Digitalisierung hat auch bei den Themen Bankgeschäfte, Bezahlfunktionen und Finanzmanagement längst Einzug gehalten. Bereits 1980 startete die Deutsche Bundespost in Bonn einen Bildschirmtext-Feldversuch. Neben den Versandhäusern Otto, Quelle und Neckermann waren unter anderem TUI und die Verbraucherbank, die heutige Norisbank, daran beteiligt. 200 Kunden in der Testregion Neuss/Düsseldorf konnten das Angebot nutzen und unter *300# ihre Überweisungen online durchführen. Bei Sparkassen war die Lösung ab 1983 im Einsatz.

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Tägliche Online-Nutzung unterwegs; Quelle: ARD/ZDF Onlinestudie 2017

Ab 1999 folgte dann die schrittweise Einführung des Internet-Bankings, wie wir es heute kennen. Und die Privatkunden haben das flexible, jederzeit zugängliche digitale Angebot über die Jahre gut angenommen. 2017 erledigten schon 56 Prozent der Deutschen ihre täglichen Bankgeschäfte ganz selbstverständlich in der Online-Filiale, das ist eine Steigerung von 24 Prozentpunkten im Vergleich zu 2006. Damit liegen die Deutschen im Europavergleich sogar nur im Mittelfeld, deutlich hinter Dänemark (88 Prozent) oder England (64 Prozent). Die Deutschen nutzen Online-Banking vor allem, um den Kontostand zu prüfen (99 Prozent), für Überweisungen (92 Prozent) und Daueraufträge (72 Prozent). Eine Beratung zu privaten Finanzthemen über Livechats und E-Mail fragen dagegen bisher nur rund 17% der Nutzer nach.

Verbreitung von Smartphones.

Mit der Ausbreitung der Smartphones und Tablets hat sich nicht nur der Zugriff über mobile Geräte und Angebote deutlich erweitert. Allein bei den Sparkassen nutzen mittlerweile über sechs Millionen Privatkunden die Online-Banking-App der Sparkassen auf ihrem Smartphone. Auch die Nutzungsintensität hat seit der Einführung mobiler Banking-Apps erheblich zugenommen. Statt nur einmal pro Woche einen Kontoauszug zu ziehen, prüfen App-Nutzer heute mehrfach am Tag ihre Umsätze. Dieser Trend zum mobilen Zugriff hat sich über alle Banken hinweg durchgesetzt.

Digitalisierung der Gesellschaft

Interessant ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Selbstverständlichkeit, mit der digitales Banking mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Wichtiger ist fast, dass sich in den letzten Jahren auch die Akzeptanz und Adoptionsgeschwindigkeit von neuen digitalen Angeboten rasant erhöht hat. Dies betrifft vor allem die Angebote der FinTechs, die in der zweiten Welle der Digitalisierung mit ihren innovativen und nutzerzentrierten Produkten und Services auf den Markt drängen. Neben dem Online-Zahlungsabwickler PayPal und TransferWise, einem Anbieter für internationale Überweisungen, gehören dazu Banking-Apps wie Numbrs, rein Smartphone-basierte Kontolösungen wie N26, digitale Vermögensmanager wie Liqid und Roboadvisors wie Scalable.

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Internetnutzer in Deutschland; Quelle: statista

Nach einer Ernst-&-Young-Studie von 2017 hatte bereits jeder dritte Privatkunde (33 Prozent) innerhalb von sechs Monaten zwei oder mehr solcher innovativen FinTech-Angebote aus dem Bereich Payment, Finanzplanung, Sparen, Finanzierung und Versicherungen in Anspruch genommen. In einer 18 Monate früher veröffentlichten Umfrage von Ernst & Young waren es noch weniger als die Hälfte (16 Prozent). Besonders aufgeschlossen sind die Verbraucher für innovative Angebote von FinTechs im Zahlungsverkehr: 50 Prozent nutzen solche Apps, 65 Prozent können sich dies für die Zukunft vorstellen. Immerhin 13 Prozent der Nutzer sind schon heute aktive Kunden bei fünf oder mehr der jungen Anbieter digitaler Finanzdienstleistungen.


Technologieunternehmen als Treiber einer Digitalisierung 4.0

Auch einige der heute größten Technologieunternehmen haben die Chancen von Digitalisierung und Vernetzung früh erkannt. Schon 1995 geht der Online-Händler Amazon an den Start, 1996 wird die Suchmaschine Google entwickelt und 1998 startet mit PayPal der erste Zahlungsanbieter für Einkäufe im Internet. Viele der heute selbstverständlichen Angebote, Algorithmen und Applikationen haben diese Unternehmen mitentwickelt. So steht zum Beispiel Amazon für ein stark kundenzentriertes Geschäftsmodell, für eine intuitive Bedienbarkeit und Nutzerführung, für individualisierte Produktempfehlungen auf der Basis bisheriger Einkäufe und für die professionelle Implementierung der Plattformidee. Denn Amazon ist nicht nur selbst Händler, sondern vor allem die zentrale Schnittstelle zu Millionen von Kunden für andere Anbieter, die ihre Produkte über diese Plattform verkaufen können.

Bis heute gehören die sogenannten GAFAs, also die Technologiegiganten Google, Apple, Facebook und Amazon, zu den wichtigen Treibern der Digitalisierung. Und das gilt nicht nur in ihrem ursprünglichen Kerngeschäft. Firmen wie Amazon und Google nutzen ihre Marktmacht und ihre Infrastruktur auch für das Wachstum in neue Geschäftsfelder und Branchen hinein. So expandiert Amazon aktuell nicht nur ins Geschäft mit Lebensmitteln und baut seinen eigenen Lieferdienst auf. Auch im Banking ist der Online-Händler längst aktiv. Das Ziel: Händlern und Kunden alle für das Geschäft notwendigen und nützlichen Dienstleistungen aus einer Hand zu bieten, um den Umsatz weiter zu erhöhen.

Amazon hat in den USA, Großbritannien und Japan seit 2011 bereits über 3 Milliarden US-Dollar als Kredit an Kleinunternehmer vergeben, allein zwischen Juni 2016 und Juni 2017 belief sich das Kreditvolumen auf rund 1 Milliarde US-Dollar. Und mit Produkten wie Amazon Pay, Amazon Lending, Amazon Cash oder Amazon Protect bietet das Unternehmen von Payment über Finanzierung bis zu Versicherungen fast die gesamte Wertschöpfungskette der Bankingleistungen an. Den Firmenkunden von Amazon kommt das entgegen, denn Bankdienstleistungen sind nur ein kleiner Teil ihrer kaufmännischen Prozesse und diese sind nur ein kleiner Teil des gesamten Betriebs. Auch die anderen großen Player bewegen sich in diese Richtung, auch Google bietet längst Finanzierungs- und Versicherungslösungen an.

Plattformen als Kernelement einer disruptiven Digitalisierungsstrategie

Noch weiter entwickelt sind Baidu, Alibaba und Tencent, die sogenannten BATs. Die Tech-Giganten aus Asien bieten in ihren Heimatmärkten längst eigene FinTechs für Privat- und Geschäftskonten und greifen mit diesen Lösungen im Bereich der Privat- und Geschäftskunden wie beispielsweise WeChat und Alipay direkt im Kerngeschäftsfeld der Banken an. All dies sind gezielte Schritte auf dem Weg, dem Kunden vom Einkauf über die Versicherung und das Investment bis zum Payment ein komplettes digitales Ökosystem zu schaffen, das er nicht mehr verlassen muss.

Diese sogenannte Plattformökonomie ist eine echte, disruptive Veränderung im Vertrieb, die durch die Digitalisierung erst möglich gemacht wurde: Beispiele dafür sind nicht nur Amazon oder Vergleichsplattformen wie CHECK24. Noch weiter gehen Anbieter wie Airbnb und der Taxidienst Uber. Ihre Geschäftsmodelle heben die Grenze zwischen Produzent und Konsument auf und führen zu einer völlig neuen Rollenverteilung. In der sogenannten Sharing Economy kann jeder zum Anbieter werden: Das Spektrum reicht von Übernachtungsangeboten bei Airbnb über Taxidienstleistungen bei Uber bis hin zu Krediten über Crowdfunding- und -lending-Plattformen. Diese Aufweichung der Rollen hat das Potenzial, ganze Branchen zu transformieren, und stellt für etablierte Unternehmen aus dem Hotel- und Taxigewerbe weltweit erhebliche Risiken dar. Diese Internetplattformen monopolisieren durch ihre Reichweite auch die Schnittstelle zum Kunden – eine Marktmacht, die sie sich durch Provisionen auf alle Transaktionen vergüten lassen.

Digitaler Wandel

Die Veränderungen, welche die Digitalisierung für das berufliche und private Leben mit sich bringen, sind fundamental und für jeden täglich zu erleben. Sicher ist: Das Tempo des digitalen Wandels wird sich weiter erhöhen. Durch immer leistungsfähigere Technik, durch immer höhere Bandbreiten auch im mobilen Datennetz und durch Menschen, die mit den digitalen Möglichkeiten aufgewachsen sind und den Umgang mit vernetzten Geräten, Daten und Angeboten nicht nur beherrschen, sondern ganz selbstverständlich erwarten. Das betrifft längst nicht nur die nachrückende Generation der ab 1980 geborenen sogenannten Digital Natives. Inzwischen nutzen auch immer mehr Ältere die digitale Technik samt dem Komfort der jederzeit verfügbaren, digitalen Angebote. Vor diesem Hintergrund schreitet die digitale Transformation ganzheitlich als fortlaufender Prozess weiter voran.