Wenn es um die Frage geht, wie wir im Zuge der Digitalisierung in Zukunft leben werden, beschränkt sich der Blick vor allem auf die Großstädte, den neuen „Smart Cities“. Bei der Betrachtung zu kurz kommt häufig die Tatsache, dass auch künftig der Großteil der Bevölkerung im ländlichen Raum lebt. Dieser sieht sich vor dem Hintergrund der zunehmenden Verstädterung in Verbindung mit dem demografischen Wandel enormen Herausforderungen gegenüber. Öffentliche und private Dienstleistungen sowie technische und soziale Infrastruktur werden zunehmend unrentabel und dünnen aus. Die Digitalisierung bietet jedoch Chancen und Möglichkeiten, diesen Herausforderungen zu begegnen. Ein Beispiel hierfür liefert das Bundesland Bayern mit seiner Initiative „Das Digitale Dorf“.
Potenziale aufgreifen und erproben
Mitte 2016 erteilte die Bayerische Staatsregierung der Fraunhofer Gesellschaft und Technischen Hochschule Deggendorf den Auftrag, Potenziale aufzugreifen und exemplarisch in zwei Modelldörfern – je eines in Nord- und Südbayern – zu erproben. Die Projektidee sollte dabei wesentliche Lebensbereiche im ländlichen Raum vernetzen und die Ergebnisse anschließend flächendeckend übertragbar sein. Um eine jeweils passende Modellgemeinde zu finden, wurde ein Wettbewerb durchgeführt. Insgesamt 59 Gemeinden nahmen daran teil. Die Gewinner, die Steinwald-Allianz in der Oberpfalz für Nordbayern und Spiegelau-Frauenau für den Süden, wurden im Dezember 2016 verkündet. Im April 2017 begann die Umsetzung.
Mobiler Verkaufsladen 2.0
In der Steinwald-Allianz haben sich 16 Gemeinden zusammengeschlossen. Zu deren wesentlichen Herausforderungen zählt die Versorgung der Einwohner mit Lebensmitteln. Oft fehlen Bäckereien und Metzgereien bzw. generelle Einkaufsmöglichkeiten vor Ort. Die tendenziell eher ältere Bevölkerung in den Gemeinden ist daher meist auf Mitfahrgelegenheiten in Supermärkte angewiesen. Bleiben diese aus, herrscht im Kühlschrank weitestgehend Leere.
Hier setzt die Steinwald-Allianz mit ihrer Idee eines mobilen Dorfladens an. Ein Lkw wurde dafür zu einem Verkaufsladen umgebaut, der nach einem festen Fahrplan zweimal in der Woche die kleinen Orte abfährt, die über keinen Lebensmittelhändler mehr verfügen. Dort werden die Bewohner mit Artikeln des täglichen Bedarfs versorgt. Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Verkaufswagen nicht von Lösungen, die es bereits an anderen Orten gibt. Die Idee der Steinwald-Allianz geht jedoch weiter. So bietet der Lkw zusätzlich einen Lagerraum, um in den Gemeinden landwirtschaftliche Direktvermarkter anzusteuern, deren regionale Lebensmittel aufzuladen und diese anschließend Kunden ebenfalls zum Kauf anzubieten. Zusätzlich kann man im Lkw noch Bargeld abheben. Geplant ist zudem die Vernetzung mit einem eigenen Online-Shop. So sollen die Dorfbewohner in die Lage versetzt werden, bereits im Vorfeld online einzukaufen. Wenn der Verkaufswagen dann den Wohnort anfährt, können sie ihre bestellten und bereits in Tüten gepackten Waren einfach und bequem direkt mitnehmen.
Gemeindeportal, digitale Schule und mehr
Im Gemeindeverbund Spiegelau-Frauenau konzentriert man sich indes auf einen Ansatz aus sieben Maßnahmenfeldern: Telemedizin, digitales Rathaus, Dorfshuttle, Nahversorgung durch ein Bestell- und Liefersystem im Lebensmitteleinzelhandel, Wohnwelten für unterschiedlich pflegebedürftige Zielgruppen, digitale Lehr- und Bildungsangebote und einem Telearbeitszentrum. Im Rahmen des Projektes sollen u.a. ein ganzheitlich am Menschen orientiertes, interdisziplinär vernetztes Medizin- und Pflegenetzwerk entstehen. Ein Dorfshuttle, teilweise als Rufbussystem konzipiert, wird mit digitaler Unterstützung in Betrieb genommen. Ausgewählte kommunale Dienste sollen digitalisiert und ein barrierearmer, benutzerfreundlicher 24/7 Zugriff für alle Bürger ermöglicht werden. Auch für Produkte des täglichen Bedarfs sollen Bestell- und Liefermöglichkeiten implementiert und mit bestehendem Vor-Ort-Angebot vernetzt werden. Geplant ist zudem die Einrichtung einer kommunalen Schulplattform sowie die Entwicklung und Umsetzung von Lehrangeboten speziell für Senioren. Unterstützt und realisiert werden die Maßnahmen mit Hilfe einer digitalen, lokalen Informations- und Kommunikationsplattform, dem Gemeindeportal „Dahoam 4.0“. Auch der Einsatz speziell programmierter Apps zu Unterstützung bzw. Realisierung einzelner Maßnehmen ist vorgesehen.
Bis Mitte 2018 soll die Umsetzung konkreter Maßnahmen abgeschlossen sein. Anschließend erfolgt, analog zum Projekt der Steinwald-Allianz, eine Evaluierung hinsichtlich Weiterführung, Nachhaltigkeit, Übertragbarkeit und Modellhaftigkeit.
Über den Fortschritt der einzelnen Projekte bzw. Maßnahmen kann man sich hier informieren:
• Steinwald-Allianz: https://digitales-dorf.bayern/index.php/category/nord/
• Spiegelau-Frauenau: https://digitales-dorf.bayern/index.php/category/sued/
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