Smart Pricing, auch Dynamic Pricing genannt, ist auf dem Vormarsch. In Deutschland allerdings langsamer als beispielsweise in den USA. Hierzulande mangelt es sowohl an der Akzeptanz durch die Verbraucher, als auch an gesetzlichen Rahmenbedingungen für dynamische Preise. Doch was ist Smart Pricing eigentlich? Und wem nützt es am Ende mehr – dem Verbraucher oder dem Händler?
An der Tankstelle etabliert
Jeder kennt die schwankenden Preise an Tankstellen oder bei der Reisebuchung im Internet. Das ist bereits Smart Pricing. Flüge werden teurer, je näher der Abflugtermin rückt, und ja, es ist wirklich so, wer ein Macbook zur Online-Buchung nutzt, zahlt mehr. Das liegt daran, dass Apple-Nutzer als solventer eingestuft werden als Windows-Nutzer.
Beim Smart Pricing werden Preise permanent angepasst. Die Gründe dafür sind vielfältig: Größe des Angebots und der Nachfrage, Wettbewerbssituation sowie Tages- oder Jahreszeit. Doch ein Tabu gibt es noch: Angeblich ist es in Deutschland noch nicht vorgekommen, dass verschiedenen Kunden auf einer bestimmten Website zur selben Zeit für ein- und dasselbe Produkt ein unterschiedlicher Preis angezeigt wird. Technisch wäre das allerdings möglich. Schließlich erlaubt der bisherige Umsatz mit einem Kunden eine Einschätzung seiner Zahlungsbereitschaft.
Umsatzmaximierung für den Händler
Die Kalkulation der Händler, die Smart Pricing einsetzen, geht in Richtung Umsatzmaximierung. Sie versuchen den höchsten Preis, den die Kunden akzeptieren, durchzusetzen. Der Kunde wiederum kann durch permanentes Preisvergleichen versuchen, den günstigsten Preis zu finden. Das jedoch erfordert Zeit und eine gewisse Schnäppchenjägermentalität. Laut einer repräsentativen PwC-Studie zur Customer Experience im deutschen Handel recherchieren 82 Prozent der Befragten Preise im Internet, insbesondere bei teuren Produkten sehr intensiv. Rund drei Viertel vergleichen Preise auf verschiedenen Seiten (78 Prozent) und mittels Vergleichsportalen (74 Prozent), um sich den optimalen Preis zu sichern. Knapp die Hälfte stellt sich eine Benachrichtigung für den Fall ein, dass der Preis für ein Produkt sinkt. Und ein Drittel blockt sogar die IP-Adressen und erlaubt keine Cookies, um sich vor Preistreiberei zu schützen.
Weitere Möglichkeiten sind, sich für das Online Shopping ein billiges Notebook zu kaufen oder am PC der Großeltern einzukaufen. Technisch Versierte nutzen VPN-Software. Mit diesen virtuellen privaten Netzwerken kann jeder so tun, als kaufe er etwa aus einem anderen Land ein, beispielsweise aus den Niederlanden, wo Flugreisen billiger sind.
So viel Energie können und wollen jedoch nicht alle aufbringen. Im stationären Einzelhandel beispielsweise hätten Händler die Möglichkeit, Smart Pricing mittels elektronischer Preisschilder umzusetzen. Hier aber sagen sechs von zehn Befragten der PwC-Studie, dass sie auch bei digitalen Preisschildern wie gewohnt weiter einkaufen würden. Denn jeder Zweite sieht gar keine Möglichkeit, das eigene Einkaufsverhalten an die Preisstrategie der Händler anzupassen. Das gilt besonders für die Generation der 30- bis 50-Jährigen, die häufig beruflich stark eingebunden ist.
Wenig Akzeptanz beim Verbraucher
Daher betrachten Verbraucher digitale Preisschilder mit gemischten Gefühlen: 73 Prozent würden dadurch mehr auf Preis-Anzeigen und Aktionen achten, um sicherzugehen, dass sie keinen zu hohen Betrag bezahlen. Rund zwei Drittel (68 Prozent) rechnen beim Einsatz digitaler Preisschilder jedoch damit, dass sie mehr ausgeben müssen. Niedrigere Preise halten nur 42 Prozent für möglich.
Dies ist ein Grund für die mangelnde Akzeptanz dynamischer Preise bei den Verbrauchern. Ein weiterer Grund sind die in Deutschland noch fehlenden gesetzlichen Regelungen zum Smart Pricing. So wäre es gesetzlich möglich, dass ein Produkt, welches im Regal mit einem bestimmten Preis ausgezeichnet ist, zwei Minuten später an der Kasse teurer ist. Undenkbar, aber legal.
Unternehmen, die in Deutschland Smart Pricing einsetzen und sowohl online als auch stationär verkaufen, wie beispielsweise Mediamarkt Saturn, passen die Preise im stationären Handel daher nicht und im Internet nur außerhalb der Ladenöffnungszeiten an.
Amazon als Vorreiter
Vorreiter beim Smart Pricing ist, wie so häufig, Amazon. Laut einer PwC-Studie änderte der Handelsriese seine Preise 2,5 Millionen Mal – an einem einzigen Tag. Wie ein Amazon-Sprecher allerdings versichert, schwanken die Preise, damit den Kunden immer der günstigste Preis angeboten werden könne.
Würden Unternehmen dynamische Preise verstärkt nutzen, um ihren Stammkunden attraktive Angebote zu machen und dies auch kommunizieren, würde das nicht nur die Kundenbindung stärken, sondern auch für mehr Akzeptanz für diese Art der Preisgestaltung sorgen. Umgekehrt riskieren Händler Kundenneid, wenn sie beispielsweise Kunden, die direkt auf die Website kommen (typisches Stammkundenverhalten) schlechtere Preise anbieten als Kunden, die über eine Suchmaschine kommen (typisches Neukundenverhalten).
Fazit: Dynamische Preise sind ein ideales Betätigungsfeld sowohl für Händler, die ihren Umsatz maximieren wollen, als auch für passionierte Schnäppchenjäger. Wer das nicht ist, sieht Smart Pricing hingegen eher kritisch, und solange sich das nicht ändert, wird sich das Thema auch nicht im großen Umfang durchsetzen.
Bildnachweis: ©Tevarak (istockphoto)
Quellen:
https://t3n.de/news/4-fakten-smart-pricing-laengst-1203100/
https://t3n.de/news/dynamic-pricing-onlinehandel-1191030/
https://conversionboosting.com/article/dynamic-pricing-schlau-oder-unfair_17502/
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