Unsere Serie über prägende Frauen in der FinTech- und Digitalbranche setzen wir dieses Mal mit Eva Genzmer fort, Head of Corporate Communications beim digitalen Versicherungsmakler Friendsurance.
Hallo Eva, kannst Du Dich unseren Lesern kurz vorstellen, was beinhaltet Dein Beruf? Was sind Deine Aufgaben bei Friendsurance?
Ich bin seit 2014 Head of Corporate Communications bei Friendsurance, einem Scaleup im Insurtech-Bereich. Friendsurance ist vor zehn Jahren als weltweit erster Anbieter von Peer-to-Peer-Versicherungen gestartet und hat sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Heute liegt unser Fokus auf Digital Bancassurance-Kooperationen. In meiner Rolle als PR-Verantwortliche durfte ich diese Entwicklung kommunikativ begleiten. Mein Aufgabenspektrum ist unglaublich vielfältig und reicht von klassischer Presse- und Medienarbeit und Social Media bis hin zu Customer Centricity-Maßnahmen wie Touchpoints-Analysen, Usertests und Erklärvideos. Mit über 2.000 Clippings habe ich eine sehr große Sichtbarkeit für unser Unternehmen geschaffen. Sichtbarkeit kann für Fintechs und Insurtechs ein erfolgsentscheidender Faktor sein. Bei uns ging es anfangs vor allem darum, von Investoren positiv wahrgenommen zu werden. Heute gilt es, potenzielle Bank- und Versicherungspartner auf unsere Kompetenz im Digital Bancassurance-Bereich aufmerksam zu machen.
Wie hast Du den Weg in die FinTech-Branche gefunden?
Nach meinem Kommunikationsstudium und mehreren Stationen in Print- und TV-Redaktionen war ich zunächst fünf Jahre auf Agenturseite tätig, unter anderem bei Ketchum Pleon und fischerAppelt, die zu den größten PR-Agenturen Deutschlands zählen. Dort habe ich Kommunikationskampagnen für unterschiedliche Unternehmen und Organisationen entwickelt und umgesetzt. Nach meiner Agenturzeit war ich einige Jahre auf Unternehmensseite als Pressesprecherin der Skandia Versicherung. Eingebettet in einen internationalen Konzerns mit 50.000 Mitarbeitern hatte ich dort die Gelegenheit an Herausforderungen wie interkultureller Zusammenarbeit, Change-Prozessen und Krisenkommunikation zu wachsen und wertvolle Einblicke in die Versicherungswirtschaft zu gewinnen. Dank dieses Knowhows konnte ich 2014 die drei Gründer von Friendsurance nicht nur davon überzeugen, dass sie PR brauchen (davon waren bis dato nicht alle im Gründerteam überzeugt), sondern auch davon, dass ich genau die Richtige für den Job bin.
Was fasziniert Dich an der FinTech-Branche? Was nervt manchmal?
Da ich bislang nur in einem Fintech bzw. Insurtech gearbeitet habe, kann ich ausschließlich für Friendsurance sprechen: Mich begeistert, wie facettenreich die Aufgaben sind, wie eigenverantwortlich ich arbeiten kann und wie groß die Wertschätzung für die geleistete Arbeit ist. Es gibt viel weniger bürokratische Hürden und viel mehr Pragmatismus als in meinem früheren Berufsleben. Egal ob Personalabteilung, Produkt oder IT – keiner denkt in Problemen, sondern in Lösungen, die wir durch eine iterative Arbeitsweise erreichen. Versicherungsprodukte werden nicht am Reißbrett entworfen und auf den Markt geworfen, um dann festzustellen, dass es auf Kundenseite gar keinen Bedarf dafür gibt. Stattdessen wird fortlaufend getestet, ob die Lösungen, die wir entwickeln, auch tatsächlich von den Kunden verstanden und als attraktiv bewertet werden.
Einziger Nervfaktor: Ab und zu begegnen einem in der Finanzwelt wenig-kompetente Wichtigtuer – aber die werden mit der Zeit zum Glück immer weniger.
Ist es wichtig, dass mehr Frauen in der FinTech-Szene Fuß fassen?
Ich finde es wichtig, in der gesamten Finanzbranche mehr Diversität zu schaffen – nicht nur in der Fintech-Szene. Und die Branche braucht auch nicht nur mehr Frauen, sondern insgesamt mehr Vielfalt, auch in Bezug auf Aspekte wie Alter, ethnische Herkunft und Business-Hintergrund. Gemischte Teams bringen Vielfalt in Perspektiven sowie Ideen und sind oft erfolgreicher als homogene Teams. Nach einer internationalen McKinsey-Studie von Anfang 2020 haben Unternehmen mit hoher Diversität eine um 25% größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein.
Meiner Einschätzung nach sind viele Fintechs in Sachen Diversität schon auf einem guten Weg. Bei Friendsurance zum Beispiel ist ein Drittel der Mitglieder im Management weiblich, alle von ihnen haben während ihrer Zeit bei Friendsurance Kinder bekommen und konnten auch danach ihre Positionen im Management behalten – das ist heutzutage leider immer noch nicht selbstverständlich. Außerdem haben wir Mitarbeiter aus 20 Nationen. Das schafft einen guten Mindset und fördert die Innovationskraft im Team.
Befürwortest Du vor diesem Hintergrund Quotenregelungen?
Auf der einen Seite finde ich eine Frauenquote schwierig, weil ich mir nicht nachsagen lassen möchte, ich hätte meine Position im Management nur aufgrund einer Quote bekommen. Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass in skandinavischen Ländern wie Norwegen zum Beispiel mit Hilfe von Quotenregelungen erreicht wurde, dass im Jahr 2020 die Geschlechterverteilung im Top-Management von Banken ausgeglichen ist.
Was muss passieren, damit in den kommenden Jahren mehr Frauen wie Du den Weg in die FinTech-Branche finden?
Ich glaube in sehr vielen Fintechs stehen für Frauen die Türen bereits weit offen. Bei uns gibt es kein Department ohne Frauen. Wir haben alles: Coderinnen, Business Intelligence Analystinnen, Success-Managerinnen, Agile Coachinnen, Produkt-Managerinnen, Uxlerinnen, CRM-Expertinnen, Teamleiterinnen im Customer Support, Marketing-Managerinnen, Kommunikations-Expertinnen sowie Finanz- und HR-Managerinnen.
Welche Tipps kannst du Berufseinsteigerinnen mitgeben? Gibt es typische Studienfächer oder Karrierewege, die in die FinTech-Branche führen?
Als ich mit 25 als Volontärin in großen PR-Agentur anfing, wollte ich mir möglichst schnell möglichst viel Handwerkszeug aneignen. Eine Themenpräferenz hatte ich nicht. Damals war mir nicht klar, dass ausgerechnet der eine Versicherungskunde, den ich betreut habe, mal der Grund dafür sein würde, dass mich fünf Jahre später ein Versicherungsunternehmen als Pressesprecherin anheuern würde und dass diese Berufserfahrung mir wiederum die Tür zum Insurtech-Bereich öffnen würde. Ich habe großes Glück gehabt, dass sich bei mir alles gefügt hat und ich heute in einem Bereich arbeite, den ich inhaltlich super spannend finde. Meine Blauäugigkeit als Berufsanfängerin hätte aber auch böse ins Auge gehen können. Daher mein Tipp: Schon Eure erste berufliche Station gibt einen wesentlichen Ausschlag für Eure weitere Karriere. Wenn Ihr Euch also für einen Berufseinstieg über eine Kommunikationsagentur entscheidet, dann schaut Euch nicht nur die Arbeitgeber genau an sondern vor allem die Kunden, für die Ihr arbeiten werdet.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Friendsurance weiter dabei begleiten sich als Marktführer im Bereich Digital Bancassurance zu positionieren – hier in Deutschland und auch international.
Wie erholst Du Dich am liebsten vom beruflichen Alltag?
Friendsurance hat seinen Sitz am Mehringdamm in Berlin-Kreuzberg, direkt neben dem legendären Mustafas Gemüsedöner ;-). Auf dem Heimweg fahre ich mit dem Rad ein ganzes Stück an der Spree entlang und komme auch am Reichstagsgebäude vorbei – die Strecke ist traumhaft schön und beim Radfahren kommt der Kopf in einen entspannten Default-Mode, in dem oft die besten Ideen entstehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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