Mitte Dezember 2019 haben wir an dieser Stelle über Bernd Kurmeyer berichtet, der im Rahmen eines Projekts der Sparkassenstiftung in Ostafrika seit Januar 2020 Mikrofinanzdachverbände vor Ort bei der Beschaffung bzw. dem Betrieb von Kernbanksystemen und der Bereitstellung technischer Voraussetzungen unterstützt. Nachdem Bernd in den ersten beiden Beiträgen über seine Ankunft und ersten Tage in Afrika sowie konkrete Arbeitsschwerpunkte berichtete, dreht sich der dritte Teil rund um das Thema Corona.
In diesem Beitrag möchte ich auf die aktuelle Situation hier in Ostafrika eingehen. Natürlich ist auch unsere Arbeit vor Ort von der Corona-Pandemie betroffen. Als ich meinen letzten Beitrag geschrieben habe, bin ich noch jeden Tag ins Büro gegangen. Inzwischen sind einige der Kollegen in ihre Heimatländer zurückgekehrt, andere (wie ich auch) sind im Land geblieben. Seit dem 19. März arbeiten die meisten von uns im Homeoffice genauso wie viele Mitarbeiter unserer Partner. Durch die auch für unsere Partner ungewohnte Arbeitssituation sind viele Arbeiten in den Projekten langsamer vorangegangen als geplant. Hier in Tansania sind unsere Ansprechpartner trotz zumeist gegebener technischer Möglichkeiten durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie schlechter zu erreichen als zuvor. Wie sich die aktuelle Situation langfristig auf die hiesigen Projekte auswirkt, kann wohl noch niemand vorhersagen, aber es wird Verzögerungen bei geplanten Terminen geben, teilweise sind sie bereits eingetreten.
Ganz aktuell gibt es auf der Facebookseite der Sparkassenstiftung in Ostafrika den ersten Beitrag zur Podcastreihe „INSIDE“, in der die Auswirkungen von COVID-19 auf die Mikrofinanzinstitute in den Ländern Ostafrikas diskutiert werden sollen.
Auf Tansania an sich wirkt sich COVID-19 bisher so aus, dass zusätzlich zur Aussetzung aller internationalen Passagierflüge die Arbeit nach Möglichkeit ins Homeoffice verlegt wurde, die Schulen und Universitäten geschlossen sind und wir alle genau wie in Deutschland unsere Wohnung möglichst wenig verlassen und auf Distanz zu anderen Menschen gehen sollen. Da wir uns aber gerade auch mitten in der Regenzeit befinden, fällt es mir zumindest manchmal gar nicht so schwer, einfach daheim zu bleiben. Viele Menschen sind hier schon seit einiger Zeit nur noch mit Mundschutz unterwegs, seit dem 20.04.2020 ist dieser in Dar es Salaam sogar obligatorisch. Nur wer sich die Hände gewaschen und desinfiziert hat, darf Geschäfte und öffentliche Gebäude betreten. Zuletzt wurde im Supermarkt auch schon meine Körpertemperatur gescannt. Glücklicherweise war alles in Ordnung, sodass ich meine Einkäufe erledigen konnte.
Problembewusstsein in der Bevölkerung
Es fällt mir schwer, zu beurteilen, inwiefern sich in der Bevölkerung bereits ein entsprechendes Problembewusstsein für das Virus entwickelt hat. Ich sehe in meiner Nachbarschaft jeden Tag, wie die Menschen weiterhin ohne Schutz vor Mund und Nase husten und niesen. Seit letzter Woche steigen die offiziellen Zahlen der an COVID-19 erkrankten Personen nahezu exponentiell an. Am Sonntag, 19.04.2020 wurden in Tansania 147 Erkrankte und fünf Tote bestätigt, im Allgemeinen wird aber auch von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Ich persönlich erwarte daher hier in nächster Zeit einen rapiden Anstieg der Krankheitsfälle. Wie Tansania und insbesondere das Gesundheitssystem des Landes mit dieser Situation umgehen wird, um den Anstieg der Anzahl der Erkrankten zu begrenzen und die bestätigten Fälle zu behandeln, vermag ich nicht zu sagen.
Regierungen in Ostafrika verfolgen unterschiedliche Ansätze
Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen der Regierungen in Ostafrika, die angesichts der Unabwendbarkeit der Pandemie vermutlich jeweils ihre Berechtigung haben. Während beispielsweise Tansania offenbar versucht, in Anbetracht der medizinisch ohnehin nicht kurzfristig zu ändernden Situation zumindest die wirtschaftlichen und sozialen Folgen bestmöglich abzufedern, indem die Regierung bewusst keine Schritte zur Vermeidung von Kontakt und damit zum frühzeitigen Erliegen wirtschaftlicher Aktivität ergreift, setzt z. B. Ruanda offensichtlich darauf, den vollständigen Ausbruch der Krankheit unter Inkaufnahme eines wirtschaftlichen Abschwungs möglichst lange hinauszuschieben. Dieses Vorgehen bietet die Chance, dass therapeutische Medikamente oder Impfstoffe gefunden werden, bevor der Ausbruch seine ganze Kraft entfaltet. Die Zahl von Infektionen und Todesfällen soll dadurch möglichst weit reduziert werden. Die Entscheidungen der einzelnen Länder beruhen aber sicherlich auch auf den vor Ort bereits gemachten Erfahrungen mit Epidemien wie z. B. Ebola.
Mobilitätseinschränkungen und einbrechende Einnahmen
Im Gegensatz zu Tansania ist die Bevölkerung in Uganda und Ruanda bereits von deutlich mehr Einschränkungen betroffen. In Uganda wurde die Nutzung von privaten und öffentlichen Fahrzeugen massiv eingeschränkt und es gibt eine Nachtruhe. Die Polizei stellt sicher, dass diese Vorgaben eingehalten werden. Vor allem das Wegfallen der Nutzungsmöglichkeit der Boda-bodas (Motorradtaxis) schränkt das Leben in Kampala für viele Menschen stark ein. Einerseits ist es schwieriger geworden, von einem Ort zum anderen zu kommen. Andererseits brechen für die Fahrer der Boda-bodas die wichtigen Einnahmen weg, die ihre Lebensgrundlage bilden.
Für Kigali wurde bereits Ende März eine Ausgangssperre verhängt, die auch von der Polizei kontrolliert und nachgehalten wird. In Ruanda insgesamt dürfen die hier Moto genannten Motorradtaxis ebenfalls nicht mehr fahren, was natürlich zu denselben Auswirkungen wie in Uganda führt. Die Preise auf den lokalen Märkten steigen spürbar und nicht wenige Familien hungern bereits. Dieses Problem kann auch nicht durch die offiziellen Essensverteilungen am Wochenende gelöst werden, da zwar immer unterschiedliche Familien von der Essensverteilung profitieren, aber andere leer ausgehen. Es gibt bereits lokale Initiativen, die Spenden für die ärmsten Familien sammeln, wodurch diese jetzt erst einmal die schwierige Zeit überbrücken können.
In Ruanda sammeln nationale aber auch internationale Stiftungskollegen von mir bereits Geld, das teilweise auch aus Deutschland kommt, und kaufen für ihre Nachbarn Lebensmittel ein. Bei Interesse stelle ich gern den Kontakt zu den Kollegen her, die sich darüber freuen würden, weitere Spenden in Nahrungsmittel wie Reis, Maismehl und Bohnen umsetzen zu können.
Zum Schluss möchte ich aber auch noch von einem kleinen persönlichen Erfolg berichten. Auch wenn es mir nicht primär darum geht, mich als Selbstversorger einzurichten, habe ich mich nach langer Zeit mal wieder damit beschäftigt, selbst Brot zu backen. Schon vor der Corona-Krise haben mich in einem Laden bei mir um die Ecke die Pfannen zum Backen von Chapati, bei dem es sich um die ostafrikanische Form eines indischen Fladenbrots handelt, angelacht. Also habe ich mir jetzt so eine Pfanne besorgt. Und auch wenn die ersten Chapatis noch ein bisschen dunkel geworden sind, haben sie wirklich schon sehr lecker geschmeckt. Anschließend habe ich mich dann an eine einfache Form des Hefebrots gewagt. Auch das ist mir meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Ich kann jedem nur empfehlen, sich in dieser Zeit, in der wir alle länger zuhause sind, als uns im Allgemeinen lieb ist, sich mit solchen Tätigkeiten zu beschäftigen, die einem einerseits ein kleines Erfolgsgefühl bescheren und andererseits in Krisenzeiten einfach nützlich sein können.
Teil 1: Ankunft und die ersten Tage gibt es hier:
Teil 2: Arbeitsschwerpunkte und Buddha-Tempel gibt es hier:
Unser Star in Afrika – Teil 2: Arbeitsschwerpunkte und Buddha-Tempel