Durch Ihre breite Marktpräsenz hatten die Sparkassen in Deutschland einen starken Mehrwert anzubieten. Die persönliche Beratung am Schalter oder auch die schnelle Erreichbarkeit einer Bankfiliale verloren aber in den letzten Jahren langsam an Bedeutung. Der Wandel im Finanzdienstleistungssektor, der durch Trends wie zunehmende Regulierung und Kundenerwartungen sowie das Aufkommen neuer Technologien ausgelöst wird, stellt die traditionellen Betriebsmodelle in Frage. Gleichzeitig entsteht eine neue Wettbewerbsebene, da die großen Technologieunternehmen wie Google, Apple, Facebook und Amazon ihre Produkt- und Dienstleistungsangebote kontinuierlich auf den Finanzdienstleistungssektor ausweiten, während API-basierte Open-Banking-Lösungen es Drittanbietern ermöglichen, auf die Bank- und Transaktionsdaten der Verbraucher zuzugreifen und diese zu nutzen.
In dieser von Veränderungen und verschärftem Wettbewerb geprägten Landschaft werden Kooperationsvereinbarungen, die auf die Schaffung eines gemeinsamen Werts für Kunden abzielen, immer wichtiger. Die durch diese Kooperationsvereinbarungen geschaffenen Ökosysteme können eine effizientere Nutzung von Vermögenswerten wie Markenwert, Marktzugang, Infrastruktur und Kapital ermöglichen und damit ein höheres Maß an Wert schaffen, als dies von einzelnen Marktteilnehmern erreicht werden könnte. Es bleibt nun für die Regionalbanken zu entscheiden, ob sie selbst ein Ökosystem gemeinsam kreieren und betreiben möchten, bevor sie gezwungen sein könnten, an den Ökosystemen von Dritten teilzunehmen.
Bei der Erörterung der Sparkassen-Ökosysteme ist es interessant, den Blick auf die nordischen Länder zu richten, wo die Sparkassen eine regional aktive Rolle übernommen haben und gleichzeitig durch Verbände auf Länderebene eng miteinander verbunden sind. Die Kooperationen, die innerhalb der nordischen Sparkassen intern und mit Dritten wie Genossenschaftsbanken, dem lokalen öffentlichen Sektor und lokalen Start-ups aufgebaut wurden, sind Beispiele dafür, wie Ökosysteme ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Sparkassen in einem Umfeld des Wandels und der Verschärfung des Wettbewerbs sein können.
Die Ökosysteme der Sparkassen in den nordischen Ländern
Das Sparkassenkonzept kam zwischen 1810 und 1822 aus Deutschland in die nordischen Länder. So wurden die ersten Sparkassen in Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen als Antwort auf die Notwendigkeit gegründet, den Bürgern Spar- und Kreditmöglichkeiten zu bieten[1]. Heute gibt es in Finnland, Norwegen, Schweden und Dänemark zusammen rund 200 Sparkassen. Die hohe Zahl der einzelnen Sparkassen in Verbindung mit ihrer geringen relativen Größe erklärt die Bedeutung der Zusammenarbeit der Sparkassen auf nationaler Ebene in den nordischen Ländern und hat die Bildung des Ökosystems der nordischen Sparkassen beeinflusst.
Abbildung 1: Anzahl der Banken und Sparkassen pro eine Million Einwohner [2]
Heute sind 59 Sparkassen im schwedischen Bankensektor tätig, von denen 58 dem schwedischen Sparkassenverband angehören, der sich aktiv für die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder einsetzt, indem er sie in rechtlichen Angelegenheiten vertritt und über die Zusammenarbeit mit Dritten verhandelt[3]. Als aktiver Förderer der gemeinsamen Interessen und der Leistung der einzelnen Sparkassen fungiert der Sparkassenverband als Orchestrator des schwedischen Sparkassen-Ökosystems, das durch die Zusammenarbeit der einzelnen Sparkassen in Schweden entsteht.
Die Zusammenarbeit zwischen den Sparkassen zielt darauf ab, einen höheren Wert zu schaffen, als es die einzelnen Sparkassen tun könnten, und reicht auch über den Sparkassenverband hinaus. Ein Beispiel für die Kooperation zwischen den Sparkassen und anderen Parteien ist die Zusammenarbeit mit der Swedbank, einer der größten Bankengruppen Schwedens, die die Kunden der Swedbank Zugang zum Filialnetz der schwedischen Sparkassen erlaubt und umgekehrt[4]. Auf diese Weise können die Kunden der beiden Gruppen Produkte und Dienstleistungen in den örtlichen Geschäftsstellen gemeinsam nutzen und haben einen besseren Zugang zu physischen Bankdienstleistungen.
Die enge Zusammenarbeit innerhalb des schwedischen Sparkassenverbands und mit Dritten hilft den Sparkassen, ihren Service und die Produktverfügbarkeit zu verbessern, was eine Rolle bei der Kundenzufriedenheit der schwedischen Sparkassen spielen könnte. Die Kundenzufriedenheit spiegelt sich in den Umfrageergebnissen wider, denn im Jahr 2020 führten die Sparkassen den Kundenzufriedenheitsindex sowohl bei Privat- als auch bei Firmenkunden in Schweden an. [5]
Wie die schwedischen Sparkassen arbeiten auch die finnischen Sparkassen eng zusammen, um einen umfassenden Dienstleistungskatalog für ihre gemeinsamen Kunden zu gewährleisten. Die lokalen und unabhängigen Sparkassen bilden zusammen die Finnische Sparkassengruppe, deren Mitglieder sich nicht nur gegenseitig bei der Erbringung der besten Dienstleistungen unterstützen, sondern auch ein gemeinsames finanzielles Risiko tragen[6]. Die Sparkassen in der Sparkassengruppe decken zusammen mit mehreren zentralisierten Kompetenzunternehmen in den Bereichen Versicherung, Hypotheken, Wohnungsbau usw. die entscheidenden Dienstleistungen für die Sparkassenkunden in der Sparkassengruppe ab.
Die Zusammenarbeit der finnischen Sparkassen geht auch über die Sparkassengruppe hinaus und findet mit den lokalen Gemeinschaften, in denen die Sparkassen präsent sind, mit Unternehmenspartnern sowie mit dem öffentlichen Sektor Finnlands statt. Die Zweigstellen der Sparkassen sind in den Gemeinden stark vertreten und haben im Laufe der Geschichte die Aufgabe übernommen, die lokalen kulturellen Aktivitäten zu unterstützen[7]. Die Zusammenarbeit mit Unternehmenspartnern trägt stattdessen oft dazu bei, den eigenen Leistungskatalog der Sparkassen zu erweitern. So ergänzt beispielsweise das schnell wachsende Fintech Fundu Platform Oy die Dienstleistungen der finnischen Sparkassen, indem sie kreditbasiertes Crowdfunding für die Kunden der Sparkassen anbietet[8]. Ebenso ermöglicht die Zusammenarbeit mit Siemens Financial Services den Kunden der finnischen Sparkassen den Zugang zu Leasing und Co-Payment-Finanzierung für den Kauf von Maschinen und Anlagen, die traditionell nicht zum Leistungskatalog der Sparkassen gehören[9]. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Sektor ist das finnische E-Identifizierungssystem, bei dem die Sparkassengruppe neben anderen Finanzdienstleistern als Prüfinstanz fungiert. Über das E-Identifizierungssystem können die Sparkassenkunden ihre Bankdaten für den Zugang zu allen elektronischen Diensten nutzen, die eine eindeutige Identifizierung erfordern, wie z. B. die Dienste der Polizei, der Sozialversicherung oder der Steuerverwaltung. Außerdem kann die Identifizierung zur Durchführung sicherer Online-Transaktionen verwendet werden. All diese Kooperationen zum gegenseitigen Nutzen mit dem öffentlichen und privaten Sektor kennzeichnen das Ökosystem der finnischen Sparkassen.
Abbildung 2: Anteil der Sparkassenfilialen an allen Filialen[10]
Ähnlich wie in Schweden und Finnland arbeiten auch die Sparkassen in Norwegen eng zusammen. Zwei große Sparkassen-Allianzen, die SpareBank 1-Allianz und die Eika-Allianz, ermöglichen den teilnehmenden Sparkassen die gemeinsame Nutzung von Dienstleistungen in den Bereichen Risikomodellierung, Buchhaltung, IT, Werbung und Kommunikation sowie Produktentwicklung[11]. Von der Zusammenarbeit profitieren sowohl die großen als auch die kleinen Sparkassen. Dank des Zugangs zu gemeinsamen Daten und Risikoanalysen können die größeren Banken beispielsweise fortgeschrittene Risikomodelle einschließlich fortgeschrittener IRB-Genehmigungen durchführen. In ähnlicher Weise ermöglichen die gemeinsam genutzten Funktionen vielen kleineren Sparkassen, die nicht alle erforderlichen Geschäftsvorgänge allein durchführen müssen, den Betrieb.
Die norwegische Sparkassengruppe fördert als Dachorganisation die Zusammenarbeit zwischen allen Sparkassen und fungiert als deren Vertretungsorgan[12]. Wie in Finnland und Schweden sind die Sparkassen in Norwegen als Förderer kultureller und sozialer Aktivitäten in den Kommunen stark präsent. Im Zeitraum von 2005 bis 2015 haben die Sparkassen und Sparkassenstiftungen in Norwegen rund 650 Mio. EUR für Sport, Kultur und soziale Aktivitäten ausgegeben. Die norwegischen Sparkassen haben auch gemeinsame Tochtergesellschaften z.B. im Versicherungssektor[13].
Zusammen mit den beiden Sparkassenverbünden bildet die norwegische Sparkassengruppe ein ähnliches Sparkassen-Ökosystem wie in Finnland oder Schweden. Anders als in Finnland sind jedoch alle Banken in den Sparkassenverbünden in Norwegen unabhängig und teilen nicht die Risiken der anderen Banken.
Auch unter den dänischen Sparkassen gibt es starke Kooperationsstrukturen. In Dänemark bilden die Sparkassen zusammen mit dem Verband der lokalen Banken und Genossenschaftsbanken einen Verband, der sich „Lokale Finanzinstitute“ nennt und den teilnehmenden Finanzinstituten mehrere gemeinsame Lösungen anbietet[14]. Dadurch erhalten auch die kleineren Mitglieder Zugang zu einer Infrastruktur, die es ihnen ermöglicht, ihren Kunden eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen zu wettbewerbsfähigen Preisen und in hoher Qualität anzubieten. Die gemeinsam genutzten Lösungen umfassen verschiedene Bereiche wie IT, Investitionen, Karten und Zahlungen, Hypotheken, Marketing, Management und Versicherungen. Zusammen bieten die Mitglieder des Verbandes Dienstleistungen in über 450 Filialen in Dänemark, auf den Färöern und in Grönland an und decken mehr als 25 % des Marktanteils der dänischen Privatkunden ab[15].
Die Mitgliedsbanken der Lokalen Finanzinstitute zeichnen sich durch ein hohes Maß an Kundennähe aus, ähnlich wie die lokalen Sparkassen in Schweden, Finnland und Norwegen. Der dänische Finanzsektor hat auch mit dem öffentlichen Sektor des Landes zusammengearbeitet, um eine elektronische Identifizierungslösung namens MitID (früher NemID) [16] zu entwickeln, ähnlich wie das finnische E-Identifizierungssystem. Die Zusammenarbeit zwischen den dänischen Sparkassen erstreckt sich auch auf andere dänische Banken. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit mit MobilePay, der von der Danske Bank entwickelten mobilen Zahlungsanwendung. Kooperationen wie die e-Identifikation oder mobile Zahlungen stellen sicher, dass die Kunden der Sparkassen die Bequemlichkeit der neuesten digitalen Lösungen bei den täglichen Transaktionen genießen können und gleichzeitig die Vorteile eines Sparkassenkunden genießen.
Schlussbemerkung
Das Kooperationsmodell der nordischen Sparkassen veranschaulicht, wie eine Rolle in einem Ökosystem, in dem kritische Vermögenswerte gemeinsam genutzt werden, den einzelnen Akteuren hilft, ihren Kunden ein umfassendes Produkt- und Dienstleistungsangebot zu bieten. Die Möglichkeiten des offenen Bankwesens und des digitalen Fortschritts eröffnen neue Chancen für weitere digitale Ökosysteme, d. h. Gruppen miteinander verbundener informationstechnologischer Ressourcen, die als eine Einheit funktionieren. Die Beteiligung an und die Rolle in diesen Ökosystemen kann eine wichtige Determinante für die Langlebigkeit und Rentabilität der Geschäftsmodelle der Sparkassen sein und ihre Rolle im Vergleich zu ihren neuen Wettbewerbern definieren.
Quellen:
[1] Danmarks Nationalbank 1818-2018, Kim Abildgren, 2018
Swedbank and the savings banks | Swedbank
History of the Savings Banks Group – Säästöpankki (saastopankki.fi)
CREDIT, BANKING AND MONETARY DEVELOPMENTS IN NORWAY 1819–2003, Eitherim, Gerdrup and Klovland
[2] Bevölkerungsdaten: www.worldometers.info, 13.10.2021
Anzahl der Banken:
Deutschland, Schweden, Finnland und Dänemark: Number of banks in Europe (EU28) as of August 2021, by country, www.statista.com, 2021
Norwegen: Banks and other financing activity, www.finanstilsynet.no, 2020
Anzahl der Sparkassen:
Deutschland: INSIDE THE SAVINGS BANKS FINANCE GROUP, Sparkassen Finanzgruppe, Deutsher Sparkassen – und Giroverband, 12/2020
Schweden: The Savings Banks Organisation in Sweden, Jana Gieseler – DSGV, 15.8.2021
Dänemark:Economy and Banking Sector of Denmark, thebanks.eu, 2020
Finnland: Economy and Banking Sector of Finland, thebanks.eu, 2020
Norwegen:Savings banks in Norway, thebanks.eu, 2020
[3] The Savings Banks Organisation in Sweden, Jana Gieseler – DSGV, 15.8.2021
[4] Swedbank and the Savings Banks | Swedbank
[5] Private customer Satisfaction of banks in Sweden in 2020, www.statista.com, 2020
Corporate customer Satisfaction of banks in Sweden in 2020, www.statista.com, 202
[6] Savings Banks Group – Säästöpankki (saastopankki.fi)
[7] Savings Banks Group – Säästöpankki (saastopankki.fi)
[8] Säästöpankkiryhmän ja Fundun yhteistyö syvenee – Säästöpankki (saastopankki.fi)
[9] Leasing – Säästöpankki (saastopankki.fi)
[10] Germany: https://www.bundesbank.de/resource/blob/829940/eb846bb8bfbd3330dec095ea3010df1e/mL/2020-03-31-bankstellenbericht-anlage-data.pdf, data from 2019
Sweden: https://www.swedishbankers.se/media/4799/1407-sbf-bank-och-finansstatistik_202010_se03.pdf, data from 2019
Norway: https://www.finansnorge.no/statistikk/bank/antall-ekspedisjonssteder/, data from 2018
Finnland: PANKKIVUOSI 2020 (finanssiala.fi); Finnish Savings Bang Group; Oma Säästöpankki | Oma Säästöpankki (omasp.fi), data from 2020
Dänemark: https://finansdanmark.dk/tal-og-analyser/institutter-filialer-ansatte/ ; Lokale Pengeinstitutter, data from 2020
[11] The Savings Banks Organisation in Norway, Jana Gieseler – DSGV, 21.7.2021
[12] The Savings Banks Organisation in Norway, Jana Gieseler – DSGV, 21.7.2021
[13] The Savings Banks Organisation in Norway, Jana Gieseler – DSGV, 21.7.2021
[14] About Us (lopi.dk)
[15] About Us (lopi.dk)
[16] MitID.dk
Titelbild: izhairguns (istock)
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